WM-Überraschungsteam Jamaika: Ein offensives Versprechen

Das jamaikanische Team besticht durch eine fast undurchlässige Abwehr. Dabei ragt sonst eine Stürmerin heraus. Gegner ist nun Kolumbien.

Khadija Shaw kommt vor dem Tor frei zum Schuss

Abschlussstarke Stürmerin: Khadija Shaw im Spiel gegen Frankreich Foto: imago

Jamaika steht bei der zweiten WM-Teilnahme nach 2019 das erste Mal in einer K.-o.-Runde und trifft auf Kolumbien. Zwei der besten Defensivreihen dieses Turniers treffen in diesem von niemandem erwarteten Duell aufeinander. Bringt der Erfolg auch Anspannung mit sich? Von wegen, so Trainer Lorne Donaldson: „Wenn du jemals zu unseren Trainings kommst, es gibt nur Musik und Tanzen. Ich meine, das ist der Grund, warum wir die Reggae Girlz sind! Die Mädels haben keine Angst davor. Manchmal versuche ich meinen alten Körper auch dazu zu bringen, aber ich kann das nicht so gut. Aber wisst ihr, vielleicht gehen wir diesen Weg nicht noch mal. Dann können wir es genauso gut genießen, damit am Ende alle sagen können: Ich hatte eine gute Zeit.“

Spielerisch war sein Team bisher weniger auffällig. Jamaika kann nach der Gruppenphase, in der man auf Frankreich, Brasilien und Panama traf, mit dem minimalistischen Torverhältnis von 1:0 prahlen. Nur die Schweiz und Japan blieben ebenfalls ohne Gegentor. Dabei sahen die Ergebnisse Jamaikas vor der WM nicht nach defensiver Stabilität aus. Geändert hat sich das dank eines Trainingscamps im Juni. „Das hat uns gezeigt, dass wir als Team verteidigen müssen, nicht nur mit der Abwehrreihe“, so Deneisha Blackwood.

Die 26-jährige hat daran als linke Verteidigerin einen großen Anteil, dabei ist das nicht ihre angestammte Position. Bei ihrem Verein GPSO Issy in der zweiten französischen Liga ist sie im Mittelfeld unterwegs. Im Nationalteam verteidigt sie neben den Swaby-Schwestern Allyson, 26, und Chantelle, 25. Die beiden verstehen sich auf dem Platz sehr gut, Allyson Swaby gelang außerdem das einzige Tor gegen Panama per Kopfball.

Der eigentliche Star des Teams ist Angreiferin Khadija „Bunny“ Shaw, 26, sie verpasste das zweite Gruppenspiel gegen Panama nach einer gelb-roten Karte gegen Frankreich. Die Stürmerin von Manchester City kam in der vergangenen Saison auf 20 Tore und sieben Vorlagen in 22 Spielen. Dass es bei der WM noch nicht geklappt hat, soll sich, wenn es nach Teamkollegin Blackwood geht, gegen Kolumbien möglichst ändern: „Der Großteil der Welt hat uns noch nicht offensiv spielen sehen. Aber in so einem Spiel können wir zeigen, was wir auch offensiv leisten können.“

Förderung durch Privatperson

Dass es überhaupt die Möglichkeit dazu gibt, liegt an einer besonderen Frau. „Ohne Cedella gäbe es keinen Fußball, das kann ich ganz klar sagen. Als das Programm am Boden lag und es keinen Fußball für Frauen gab, war sie diejenige, die den Startknopf drückte und sagte: Wir müssen loslegen“, erzählt Donaldson. Gemeint ist Cedella Marley, die Tochter der berühmten Reggae-Legende. Im Jahr 2014 hatte sich das jamaikanische Nationalteam der Frauen aufgelöst, weil es kein Geld vom Verband gab. Marley wurde selbst Förderin und zog weitere Investitionen an Land.

Lorne Donaldson, Trainer

„Wenn du jemals zu unseren Trainings kommst, es gibt nur Musik und Tanzen“

Für die Teilnahme an der WM 2023 brauchte es dennoch mehrere Crowdfundings, die Spielerinnen verfassten öffentliche Statements. Besonders Shaw nahm kein Blatt vor den Mund: „Wenn ich jetzt in Jamaika wäre, würde ich meine Zeit nicht damit verschwenden, Fußball zu spielen. Da ist nichts los“, sagte Shaw Anfang 2023 der Deutschen Welle. „Es gibt nicht viele Möglichkeiten für Frauen in Jamaika. Und das muss ich lautstark zum Ausdruck bringen, denn die Leute müssen wissen, was passiert und was getan werden muss.“

Deneisha Blackwood hofft, dass sie und ihre Kolleginnen Vorbilder sein können, um die nächste Generation zu inspirieren. Dabei würden die Prämien helfen, welche die Fifa für die Spielerinnen vorgesehen hat. „Für die jüngere Generation vor allem in unserem Land gilt der Fußball nicht als etwas, mit dem man als Frau viel Geld verdienen kann, daher denke ich, dass es eine Motivation für viele von ihnen sein könnte, den Fußball als Beruf in Betracht zu ziehen.“

Ob es gegen Kolumbien eine Runde weiter geht, scheint sehr offen. Beide sind defensiv sehr stabil, sehr robust und können schnell kontern, den Kolumbianerinnen fehlt allerdings Manuela Vanegas, die mit 31 Ball­eroberungen in diesem Bereich zu den Besten der WM gehört. Lorne Donaldson kann hingegen aller Voraussicht nach auf den kompletten Kader zurückgreifen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.