Ungeahnte Allianzen: Linkspartei kämpft für Gutverdienende

CDU und Linkspartei setzten sich in der Bürgerschaft für die Forderung der GEW ein, die Tariferhöhung nicht für höhere Besoldungsgruppen zu kappen

"Aufstehn gegen Arbeitgeberwillkür" - Beamte protestieren unter der Fahne der GEW Bild: kawe

So lange und so heftig wie gestern morgen streiten die Parlamentarier in der Bremischen Bürgerschaft selten: Über zwei Stunden keilten CDU und Linke gemeinsam und in seltener Einträchtigkeit gegen die Koalition aus SPD und Grünen, deren Abgeordnete und Senatsvertreter sich ihrerseits aufregten – auch über die vor der Bürgerschaft demonstrierenden PolizistInnen und LehrerInnen. Die grüne Finanzsenatorin Karoline Linnert stellte gar deren Loyalität zum Staat in Frage: „Sie tun so, als wäre der Senat eine Diktatur!“

Worum ging es? Um Geld. 4.500 Beamte und Beamtinnen in den höheren Besoldungsgruppen werden in diesem und im nächsten Jahr gar keine Gehaltserhöhung bekommen. Weitere 6.500 ihrer verbeamteten KollegInnen erst zum 1. Juli dieses Jahres – und ein kleiner Teil von diesen wiederum nicht in der vollen Höhe, wie er für die rund 45.000 Angestellten im öffentlichen Dienst ausgehandelt worden war. Diesen wird zum ersten Januar 2013 ihr Gehalt erhöht: Um 5,6 Prozent. Seitdem die rot-grüne Koalition vor rund drei Wochen mitgeteilt hatte, dass die BeamtInnen weniger bekommen sollen, hatten Gewerkschaften sowie LehrerInnen, StaatsanwältInnen, RichterInnen und PolizistInnen gegen den Beschluss protestiert. Letztere hatten sogar angekündigt, nach Feierabend nicht mehr ans Handy zu gehen, wenn ihre KollegInnen sie zur Verstärkung bräuchten. Gestern erklärte die Regierungskoalition dann noch einmal, dass sie gerne allen mehr geben würde, sich Bremen dies aber nicht leisten könne. Eine Übertragung der Tarifergebnisse auf die Beamtenbesoldung würde im laufenden Jahre 2013 insgesamt 34 Millionen Euro kosten, ab 2014 jährlich 73 Millionen Euro. „Dieses Geld haben wir nicht“, sagte gestern der SPD-Haushaltspolitiker Max Liess.

CDU und Linke fanden, dass man die Gehaltserhöhung aus Gründen der Gerechtigkeit zahlen müsse. „Wie erklären Sie denn einem jungen Gymnasiallehrer mit einem Gehalt von 3.200 Euro, dass er nicht mehr bekommt, dafür aber der leitende Arzt an einer städtischen Klinik mit einem Gehalt von 8.000 Euro?“, fragte Thomas Röwekamp, der Vorsitzende der CDU-Fraktion. Er bezichtigte Rot-Grün, die Mitarbeitenden im öffentlichen Dienst zu spalten. „Jetzt stellen Sie sich mal vor, das würde man in einem privaten Betrieb machen: Vor 40 Jahren hätten Sie sich doch auf die Schienen gesetzt und wären bei einer Demonstration mit der Fahne vorneweg geschritten“, hielt er dem grünen Haushaltspolitiker und ehemaligen Betriebsrat beim Weser-Kurier, Hermann Kuhn, vor. Der hatte sich in seiner Rede kurz zuvor darüber beschwert, dass DemonstrantInnen ihn am Eingang zum Parlamentsgebäude „genötigt“ hätten, über Porträts von BeamtInnen zu laufen – nach dem Motto „Ihr tretet uns mit Füßen“. Er habe zwar Verständnis für die Kritik an dem Senatsbeschluss, aber wenn jemand angesichts der Nullrunde von einer „inneren Kündigung“ spreche, „wohl wissend, dass er als Beamter unkündbar ist, dann ist hier eine Grenze überschritten“.

Noch deutlicher wurde die Finanzsenatorin in ihrer Kritik an den Demonstrierenden. Diese seien „maßlos in ihrem Gefühl, Opfer zu sein“. Wer angesichts einer gestaffelten Gehaltserhöhung – die kleinen Gehälter erhalten die volle Tarif-Aufstockung – von sozialer Spaltung spreche, habe „nichts verstanden“. Wer in Deutschland im öffentlichen Dienst arbeite und zudem verbeamtet sei, befinde sich in einer privilegierten Lage. Zu den unteren Besoldungsgruppen, die die volle Tariflohnerhöhung bekommen, gehörten 70 Prozent der PolizistInnen.

Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) – „ich habe auch schon oft demonstriert“ – erinnerte daran, dass andere Bundesländer den Beamten zwar das Geld erhöhen würden, dabei anders als Bremen aber Personal im öffentlichen Dienst abbauen.

Die Stellenstreichungen der vergangenen Jahre in Bremen hätten aber bereits dazu geführt, dass gerade die jetzt protestierenden Berufsgruppen bereits an ihrem Limit arbeiten würden, sagte die Fraktionsvorsitzende der Linken, Kristina Vogt. Die sich verschärfende soziale Lage bedeute mehr Arbeit: „Polizisten und Lehrerinnen bekommen das ab.“ Eine Gehaltserhöhung sei daher auch ein Ausdruck der Wertschätzung ihrer Arbeit. In einem Antrag forderte die Linke daher den Senat dazu auf, den höheren Besoldungsgruppen der BeamtInnen dieselbe Tariferhöhung zuzugestehen wie den kleinen Beamten und den Angestellten. Die CDU stimmte diesem Antrag zu, SPD und Grüne lehnten ihn in einer namentlichen Abstimmung ab.

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