Milchbauern-Protest: Zornig auf Sonnleitner

Der Konflikt zwischen dem Bauernverband und den Milchbauern wird mit moderner Lobbyarbeit ebenso ausgetragen wie mit archaischen Mitteln.

Aufgebrachte Milchbauern laufen zum Hof von Bauernpräsident Sonnleitner. Bild: dpa

MÜNCHEN taz Sie kamen im Dunkeln, Fackeln erleuchteten ihre rußgeschwärzten Gesichter. Der Schlag von Trommeln hallte durch die Nacht. So zogen im vorigen November 2.000 erboste Landwirte zum Hof von Gerd Sonnleitner, dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbands, in Ruhstorf bei Passau. "Die Bauern hast du billig verkauft / Dass alles in den Ruin einlauft / Ist das wahr?", reimte ein Anführer. "Ja!" schrie die Menge.

"Haberfeldtreiben" nennt sich diese archaische Sitte, mit der die bayerische Landbevölkerung einst gelegentlich ihren Zorn austobte. Die Dorfbewohner zogen nachts zum Haus eines vermeintlichen Delinquenten und prangerten dessen Verfehlungen an; meist ging es gegen die Mütter unehelicher Kinder und andere Außenseiter.

Die ökologisch orientierte Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) veranstaltete dieses befremdliche Ritual gegen Sonnleitner. Denn wenige Tage zuvor hatte der Bundesrat nach wochenlangen Bauernprotesten gegen die rasant fallenden Milchpreise und einem groß inszenierten Milchgipfel Maßnahmen für stabilere Preise abgelehnt. Die erboste Menge beschuldigte Sonnleitner und seinen Bauernverband, mit einem Argumentationspapier die Politik beeinflusst und so den Beschluss verhindert zu haben.

Das Schreiben ging im Oktober an zwei Dutzend Bundestagsabgeordnete, vor allem aus der Union. Auf vier Seiten kritisierte der Bauernverband die Positionen des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), der den Milchstreik organisiert hatte, sich aber vom "Haberfeldtreiben" distanzierte. Die Wortwahl des Papiers ist nicht allzu freundlich. An einer Stelle heißt es über einen Vorschlag des BDM: "Solche Taschenspielertricks macht der Deutsche Bauernverband nicht mit."

Inzwischen scheint der bayerische Bauernverband diese Art von Lobbyarbeit zu bedauern. In einem internen Mitteilungsblatt heißt es, das Papier nur "versehentlich" an Politiker geschickt zu haben. Aus der Zentrale des Bauernverbands in Berlin hingegen ist zu hören, der Text sei zwar als internes Papier entworfen, aber dem Wunsch von Abgeordneten folgend an die Politik weitergegeben worden. "Wir stehen zu den Punkten, die da drinstehen", sagt Sprecher Michael Lohse.

Dass der Bauernverband ausgerechnet in Bayern den Lobbyerfolg seinen Mitgliedern als Unfall verkauft, ist kein Zufall. Hier ist der Protest gegen die Milchpolitik des Bauernverbandes am größten. Und viele der im 1998 gegründeten BDM organisierten Milchbauern gehören zugleich dem Bauernverband an.

Seit dem erfolglosen Milchstreik drohen viele mit dem Austritt. 800 Bauern seien seit Beginn des Streiks zusätzlich zur normalen Fluktuation ausgetreten, und das vor allem in traditionellen Milchregionen, gibt der Bayerische Bauernverband in seinem Mitteilungsblatt zu.

Während die Preise weiter nicht steigen wollen, sind die Gräben zwischen Bauernverband und BDM tiefer als je zuvor. Der Bauernverband möchte mehr Milch absetzen, der BDM hingegen will die Produktion drosseln, um den Milchpreis zu stabilisieren. Ein Kompromiss ist nicht in Sicht. "Wir stehen so weit auseinander, dass wir keinen Dialog brauchen", heißt es beim BDM. Mit dem BDM könne man derzeit nicht verhandeln, findet der Bauernverband.

In den kommenden Wochen soll ein zweites "Haberfeldtreiben" stattfinden, diesmal gegen den Präsidenten des Raiffeisenverbands, Manfred Nüssel. Er plane die Veranstaltung als Privatperson, betont Organisator Erwin Schneiderbauer. "Das hat mit dem BDM und dem Bauernverband nichts zu tun." Er rechnet mit über 4.000 Teilnehmern.

BERNHARD HÜBNER

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