Der taz.bremen-Fottowettbewerb: Herrschaftskritik im Nassen

Der Tagessieg geht an ein Bild, das seine kritische Kraft aus dem Unbewussten schöpft - und deshalb zum Sein der Breminale vorstößt.

Ein Foto sieht möglicherweise mehr als die Fotografin. Bild: Martina Curtis

Tag 3, der Regen ist vorbei – aber nicht auf dem Bild von Martina Curtis, der heutigen Siegerin im taz-Fotowettbewerb zur Breminale, das in der Jury für engagierte Debatten sorgte: Ein verschwommenes, vordergründig dilettantisches Bild als heutiger Tagesgewinner in der taz?

Ein Auszug aus dem umfangreichen Statement von Juror Jean-Philipp Baeck mag die Dimension der Diskussion andeuten: „Der amerikanische Filmtheoretiker Bill Nichols beschreibt die Dokumentarfilm-Geschichte als eine Suche nach den ,Dingen wie sie sind‘ – eine Suche, die das aktuelle Bild eben nicht durch eine möglichst genaue Wiederholung positivistisch, sondern im besten Sinne materialistisch erfasst.

"Eine Photographie der Kruppwerke oder der AEG ergibt beinahe nichts über diese Institute", schrieb Brecht. Ebenso sagt ein scharfes, idyllisches Bild einer Wiese nichts aus über die Breminale. Erst die Unschärfe, die hier irritierend und im positiven Sinne manipulierend von der Bildmitte abweicht und auf der Kette und Säule am Bild-Rand eine fast beiläufige Herrschaftskritik übt, zwing den Blick des Betrachters zur Beachtung des Details.

Zu sehen sind Füße unter dem Zeltrand, Füße von Menschen nebeneinander – in sozialen Beziehungen und Hierarchien – und dabei Kopf- und Identitätslos, vom Regen, der Natur, in Gesellschaft gezwungen. Wie in der Theorie des „Kino-Glaz“ des sowjetischen Filmemachers Dziga Vertov, ermöglicht hier der Photo-Apparat erst eine Erkenntnis, als Instrument vor dem menschlichen Auge, um die tatsächlichen Ereignisses des wirklichen Lebens zu erkunden – hier: die Sturmwarnung am Donnerstagabend.“ So weit Baeck.

Aber Sonntag ist ja auch noch ein Tag, an dem die Jury bis 17 Uhr an redaktion@taz-bremen.de geschickte Bilder bewertet - und eines auszeichnet.

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