DFB-Pokal Viertelfinale: Träume und Tränen

Hertha BSC scheitert an Kaiserslautern. Das Gedenken an den verstorbenen Präsidenten dabei ist immer noch präsent – Beobachtungen eines Fans.

Ein Torwart und andere Spieler in einem Fußballspiel.

1:0 für den 1. FC Kaiserslautern im DFB-Pokalspiel gegen Hertha BSC im Olympiastadion Foto: Annegret Hilse/reuters

BERLIN taz | Der Pokaltag beginnt für mich um 12.24 Uhr mit einer E-Mail. Über den Mitgliederverteiler von Hertha BSC erreicht mich eine Nachricht mit der Überschrift „Wir Herthaner fürs Halbfinale“. Als ich in der Mail etwas runterscrolle, lese ich eine Nachricht von Eileen Bernstein-Rose, der Witwe von Herthas verstorbenem Präsidenten Kay Bernstein.

Sie meldet sich erstmals seit seinem plötzlichen Tod vor zwei Wochen zu Wort und bedankt sich für die Anteilnahme. Jede Geste, jedes Wort und jedes Spruchband überwältigten sie. Und sie fordert von den Vereinsmitgliedern „Lasst uns den Berliner Weg weitergehen! Für Kay, für Hertha BSC“.

Mit dem „Berliner Weg“ setzt Hertha seit dem Abstieg in die zweite Liga und einem großen Umbruch im Sommer 2023 auf Spieler aus der eigenen Jugend. Auch der ganze Verein soll bodenständiger auftreten. Und er sollte von den Mitgliedern geprägt werden, nicht von Investoren. Wird Hertha diesen Ansatz auch nach Bernsteins Tod weiterverfolgen?

Am Abend spielt Hertha im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen den 1. FC Kaiserslautern. Der Traum von mir und allen anderen Herthanerinnen und Herthanern ist klar: das Finale im eigenen Stadion. Auch Kay Bernstein wünschte sich das. Im letzten Interview vor seinem Tod beantwortete er die Frage, ob Pokal oder Aufstieg schöner wären, mit dem Pokalsieg.

Die Marschrichtung ist also vorgegeben und mit Kaiserslautern ein vermeintlich dankbarer Gegner zu Gast im Olympiastadion. Die Pfälzer spielen eine schwache Zweitligasaison, gewannen am Wochenende aber 4:1 gegen Schalke 04.

Herthas pelziges Maskottchen kümmert sich an dem Spiel um den bitter enttäuschten Fabian Reese

Trost vom Maskottchen: Berlins Fabian Reese nach der Niederlage seiner Hertha Foto: Jan Huebner/imago

Trauer und Fußball

Es ist auch das Spiel nach dem Trauerspiel. Beim Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf stand noch alles im Zeichen der Trauer um Kay Bernstein. Ein Trauermarsch mit 7.000 Fans (inklusive mir) zog vor dem Spiel zum Stadion. Vor der Ostkurve hing ein großes Schwarzweißfoto, das Bernstein zeigte. Und Stadionsprecher Fabian von Wachsmann hielt eine herzerwärmende Rede vor der Schweigeminute. Die Ultras sahen sich außer Stande, Stimmung zu machen. Zu tief saß der Schock.

Davon ist im Stadion gegen Kaiserslautern zunächst nichts zu merken. Das Foto Bernsteins ist wieder dem Logo von Herthas Sponsoren, unter anderem einem Sportwettenanbieter, gewichen. Der Stadionsprecher ruft die Spielernamen wieder voller Inbrunst aus, und die Ostkurve macht schon vor dem Spiel viel Lärm.

Eine Choreografie ist vorbereitet, auch ich halte zu Spielbeginn ein weißes Pappschild hoch. Auf einem Foto, das ein Freund mir schickt, erkenne ich, dass die Choreografie Kay Bernstein zitiert. Es geht um den Verein als Gemeinschaft, die gepflegt, und Ziele, die erreicht werden sollen.

Ernüchterndes Spiel

Das Spiel selbst ist alles andere als traumhaft. Herthas Trainer Pál Dárdai hat aus unerfindlichen Gründen das System umgestellt. Hertha kommt nicht damit zurecht und liegt nach fünf Minuten mit 0:1 hinten. Die Euphorie ist sofort gedämpft, aber die Ostkurve schreit fleißig weiter: „Auf geht’s, Hertha, kämpfen und siegen!“

Hertha hat Probleme im Spielaufbau, der Ball wird häufig zwischen den Verteidigern hin- und hergeschoben, letztes Mittel ist ein langer Ball auf Stürmer Haris Tabaković. Als dann in der 38. Minute das 0:2 fällt, verstummt auch der harte Kern der Herthafans kurz. War’s das schon mit dem Pokal­traum?

Pál Dárdai korrigiert seine Aufstellung und bringt zur Halbzeit Fabian Reese. Der mit Abstand beste Spieler der Hinrunde feiert sein Comeback nach einer Corona-Erkrankung und wird mit „Fußballgott“-Rufen begrüßt. Hertha spielt jetzt offensiver, die Einwechslungen wirken. Andreas Bouchalakis verteilt die Bälle und Hertha kommt zu Chancen.

Zeichen der Hoffnung

Jener Bouchalakis spielt aber auch einen Pass, der die Lauterer zum 0:3 einlädt. Kurz sind nur die Lautern-Fans zu hören, dann fängt sich die Ostkurve wieder: „Zweite Liga tut so weh, scheißegal, BSC!“ Herthas 1:3 in der Nachspielzeit durch Fabian Reese ist da nur eine Randnotiz.

Einem Jungen in der Reihe vor mir purzeln Tränen über das Gesicht. Auch er hatte anscheinend vom Pokalfinale im eigenen Stadion geträumt. Und ich muss an ein Spruchband in der Ostkurve aus dem Spiel nach Kay Bernsteins Tod denken: „Wir gießen deinen Baum mit unseren Tränen“, hieß es dort.

Den Baum hatte Bernstein 2022 als Symbol des Zusammenhalts vor Herthas Geschäftsstelle gepflanzt. In Berlin sollte wieder etwas zusammenwachsen. Ich sehe in diesem Moment im Stadion die Tränen dieses jungen Herthafans als ein Zeichen der Hoffnung. Der Berliner Weg ist gerade erst am Anfang. Er ist steinig, lang und voller Widrigkeiten. Aber es lohnt sich, ihn weiterzugehen.

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