Brasiliens WM-Mannschaft: Der Diktator im Team

Mit Kasernierung der Spieler und rigider Pressepolitik macht sich Brasilien-Trainer Dunga denkbar unbeliebt. Dabei ist der brasilianische Zauberfußball mehr Mythos als Realität.

Brasilien-Trainer Dunga: "Ich werde von morgens bis abends verfolgt." Bild: reuters

JOHANNESBURG taz | Wenn sie es doch nur überall so einfach hätten wie bei den Südafrikanern. Von Johannesburg bis Kapstadt werden die Bars morgen wieder voll sein mit Einheimischen in den grün-gelben Farben. Nein, es geht nicht um Bafana, Bafana, die spielen erst wieder am Dienstag. Morgen spielt Brasilien.

Die fünffachen Weltmeister sind im Gastgeberland die Nummer zwei in der Sympathiewertung, und keiner, der beim 2:1 am Dienstag gegen Nordkorea die Tore von Maicon und Elano bejubelte, käme auf die Idee, von Bürokratenfußball zu sprechen. So wurde Brasilien zu Hause kritisiert. Von einer Diktatur schrieb dort sogar eine Zeitung, weil hundert Journalisten seit Tagen relativ tatenlos in einem Johannesburger Golfhotel rumsitzen. Sie durchsuchen die Twitter-Einträge von aussortierten Größen wie Ronaldo nach Verwertbarem.

Einmal am Tag werden ihnen ein oder zwei Spieler zur kurzen Fragerunde vorgesetzt, gestern kamen Júlio César, der Torwart (interessiert in Brasilien traditionell weniger), und Júlio Baptista, ein Ersatzmann. Überhaupt nur alle paar Tage dürfen die Medien mal kurz beim Training zugucken. Sogar die Fifa soll sich über die Geheimnistuerei schon beklagt haben.

Ein Weltkulturerbe hat die Tore geschlossen. Über seine Fußballer definiert sich Brasilien. Da man sich aber als freundliches, leichtlebiges Volk versteht, findet man sich in Nationaltrainer Dunga denkbar schlecht wieder. Militärfrisur, verkniffener Blick, bellende Stimme: so kommt ein Brasilianer nicht daher. Kasernierung und rigide Pressepolitik: Vorbei die Zeiten von Samba und Livereportagen vom Training. Und dann der Fußball: Organisation, Konter, Standards - was hat das mit Ballkunst zu tun?

Der Konflikt zwischen Dunga und den Medien dauert seit Beginn seiner Amtszeit 2006. Inzwischen ist er so festgefahren, dass jede Begegnung die Klischees nur auf die Spitze treibt. Am liebsten würde Dunga gar nichts mehr sagen, aber es gibt offizielle Fifa-Termine, daran kommt er nicht vorbei. Vergangene Woche nutzte er einen zur Generalabrechnung. "Ich werde von morgens bis abends verfolgt. Und dann, wenn ich antworte, heißt es, ich sei barsch. Aber Sie sind im Vorteil. Sie haben 24 Stunden, um auf mich einzuhauen."

Morgen spielt Brasilien also gegen die Elfenbeinküste, die Begegnung gilt als Höhepunkt der bisherigen WM. Aber man sollte sich nicht zu viel versprechen. Beide Teams sind eher defensiv programmiert. Bis auf wenige Ausnahmen funktioniert bislang die ganze WM eher über Gefahrenabwehr, aber nur Dunga muss dafür so viel Kritik einstecken. Dabei waren die Tore von Maicon und Elano gegen Nordkorea wirklich schön. Und dabei praktiziert Brasilien schon seit 1982 nicht mehr jenes tollkühne jogo bonito, das längst mehr Mythos ist als Realität.

2002 etwa wurde man Weltmeister nach ähnlichem Muster, wie heute Dunga spielen lässt: ein solider Block im Zentrum, dazu zwei offensive Außenverteidiger und drei Einzelkönner vorne drin. Was damals Cafú und Roberto Carlos, Ronaldinho, Ronaldo und Rivaldo waren, sind heute Maicon und Michel Bastos, Kaká, Luis Fabiano und Robinho. Im Vergleich wird deutlich: Es fehlt der Glamour. Und das mag Brasilien nun einmal nicht.

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