Einfach im Publikum versteckt

KOPFTUCHSTREIT IN NEUKÖLLN

Der Konflikt ist mit dem Kompromiss nicht gelöst, sondern nur aufgeschoben

Da ist sie wieder, die Kopftuchdebatte. Berlin streitet über ein Stück Stoff. Genauer: darüber, ob eine junge Muslimin kopftuchtragend dem Staat dienen darf.

Betül Ulusoy möchte einen Teil ihres Rechtsreferendariats im Bezirksamt Neukölln absolvieren. Dort sagte man ihr nach einem Vorstellungsgespräch, dass man zunächst ihre Einsatzmöglichkeiten prüfen müsse. Doch noch bevor die Rechtsabteilung die Frage entschieden hatte, ging Ulusoy in die Offensive: Die Station im Bezirksamt sei ein Teil ihrer juristischen Ausbildung und wenn sie die Stelle nicht antreten könne, käme dies einem Berufsverbot gleich, sagte sie den Medien.

Am Dienstag diskutierte das Neuköllner Bezirksamtskollegium um Bürgermeisterin Franziska Giffey Ulusoys Fall. Das Ergebnis: Ulusoy darf die Stelle antreten – allerdings nur, wenn ihre Tätigkeit „hoheitliche Aufgaben mit Außenwirkung“ ausschließt. Übersetzt heißt das: Bei Gerichtsverhandlungen wird Ulusoy nicht neben der Vertreterin des Neuköllner Rechtsamts, sondern versteckt mit Kopftuch im Zuschauerraum sitzen.

Ulusoy soll also auf einen Dienst als Staatsbeamte vorbereitet, aber nicht als solche wahrgenommen werden. Der Konflikt ist mit diesem Kompromiss nicht gelöst, sondern nur aufgeschoben. Denn wenn Ulusoy nach dem zweiten Staatsexamen Richterin oder Staatsanwältin werden möchte, muss sie das Kopftuch ablegen, zumindest nach geltender Berliner Rechtslage.

Genau die steht aber zur Disposition, seit das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, dass es zumindest für Lehrerinnen kein pauschales Kopftuchverbot geben darf. Das seit 2005 geltende Berliner Neutralitätsgesetz sagt hingegen deutlich: Im Klassenzimmer, auf Streife oder im Gerichtssaal haben religiöse Symbole, auch die Kippa oder das Kruzifix, nichts zu suchen. Abgesehen von ein paar Ausnahmen – zu denen auch die kopftuchtragende Rechtsreferendarin gehört. Bleibt also die Frage, was es in Neukölln überhaupt zu prüfen gab.

Dennoch wird das Neutralitätsgesetz in seiner jetzigen Fassung nicht bestehen bleiben können. Die Senatsinnenverwaltung prüft noch, was genau sich daran ändern muss. Sie sollte bald Ergebnisse vorlegen. Denn gerade in Berlin, für seine religiöse Vielfalt bekannt, sollte in dieser Frage Klarheit herrschen.

PHILIPP IDEL