Es wird knapp für den Rosenrevolutionär

Der Ausgang der Präsidentenwahlen in Georgien bleibt offen. Staatschef Michail Saakaschwili droht eine Stichwahl. Die Opposition protestiert gegen Wahlfälschungen, Wahlbeobachter jedoch sehen keine massiven Reglementsverstöße

VON KLAUS-HELGE DONATH

Für Michail Saakaschwili stand der Sieg bei den georgischen Präsidentschaftswahlen am Sonnabend bereits fest. Unmittelbar nach Schließung der Wahllokale feierte der Rosenrevolutionär schon mit seinen Anhängern in Tiflis die Wiederwahl ins Präsidialamt. Doch nach Auszählung der Stimmen in einem Viertel der Stimmbezirke lag Saakaschwili bei nur knapp 50 Prozent. Bliebe es bei einem Ergebnis von unter 50 Prozent, würde es zur Stichwahl mit seinem stärksten Herausforderer von der oppositionellen Neun-Parteien-Koalition kommen: Lewan Gatschetschiladse landete mit 26 Prozent auf dem zweiten Platz. Erst für den gestrigen Abend kündigte die Zentrale Wahlkommission die Auszählung der Hälfte aller Wahllokale an.

Lewan Gatschetschiladse warf Saakaschwili Wahlfälschungen vor. Auf einer Demonstration der Opposition reklamierte auch der Oppositionsführer den Sieg für sich. „Ohne die Stimmen in Tiflis hat Saakaschwili 44 und habe ich 34 Prozent. Mit den Tifliser Stimmen liege ich in Führung“, behauptete Gatschetschiladse. Die Opposition hatte ihre Anhänger zu einer Protestveranstaltung gegen Wahlbetrug auf den Rikeplatz in der georgischen Hauptstadt einbestellt. Statt der angekündigten 100.000 Demonstranten fanden sich nur etwas mehr als 10.000 ein.

Im November war es in Tiflis zu Massenprotesten gekommen, an denen mehr als 60.000 Demonstranten teilnahmen. Nach einem gewalttätigen Einsatz der Sicherheitskräfte gegen die Opposition, der 500 Verletzte forderte, verhängte Saakaschwili den Ausnahmezustand, lenkte aber ein und ordnete vorgezogene Neuwahlen an. Damit war eine Forderung der Opposition erfüllt. Sie hoffte auf eine Stichwahl zwischen Gatschetschiladse und Saakaschwili um die Stimmen der anderen Mitbewerber im zweiten Wahlgang.

Die Wahlbeobachter der OSZE bewerteten den Urnengang grundsätzlich als demokratisch. Dennoch seien Probleme aufgetreten, die einer dringenden Lösung bedürften, hieß es in einer ersten sibyllinischen Stellungnahme der Mission.

Der Botschafter der OSZE-Mission, Dieter Boden, äußerte sich wesentlich schärfer. Die Wahlen seien professionell vorbereitet worden, man würde der georgischen Demokratie aber einen schlechten Dienst erweisen, spräche man nicht an, wo die Wahl den Anforderungen der OSZE nicht gerecht wurde. Boden nannte zahlreiche Fälle von Einschüchterung. Bei der Stimmenabgabe und -auszählung wurden keine massiven Verletzungen des Reglements festgestellt.

Vor den Wahlen war es zu erheblichen Beeinträchtigungen der oppositionellen Kandidaten gekommen. Der Wahlbeobachter des Europarats, Andreas Gross, monierte, dass die Opposition nicht annähernd gleiche Chancen gehabt hätte. Die öffentliche Diskussion sei von den Machthabern und ihrer Präsenz in den staatsnahen Medien dominiert worden und „vorauseilendem Gehorsam“ geprägt gewesen.

Mit der Wiederwahl Saakaschwilis läuft Georgien Gefahr, zu einer gelenkten Demokratie nach russischem Vorbild zu werden. Dem Präsidenten müsste vom Westen daher Einhalt geboten werden. Dies sollte noch vor den diesjährigen Parlamentswahlen in diesem Jahr geschehen. Sonst droht die lebendige georgische Zivilgesellschaft in Apathie zu verfallen. Die wenigen Demonstranten gestern in Tiflis sind ein Alarmzeichen.

meinung und diskussion SEITE 11