Martin Jol, neuer HSV-Trainer
: Das Anti-Stevens-Double

Martin Jol wird wohl der neue Trainer beim HSV. Dabei hatten viele Gerard Houllier in Hamburg erwartet, die große europäische Lösung. Nun aber scheint es eine ganz simple geworden zu sein: Huub Stevens geht – also holt der HSV einfach einen neuen Stevens. Holländer, Mitte 50, strenger Blick. Doch wer genau hinschaut, sieht schnell: Martin Jol ist kein Stevens-Klon. Alles, was er mit seinem pathologisch griesgrämigen Vorgänger Huub Stevens gemein hat, ist seine Herkunft und eine wichtige Station in der Trainerlaufbahn, die jedoch der wahre Grund dafür sein könnte, dass Jol jetzt kommt.

Vielleicht haben Beiersdorfer und Hoffmann einfach nur im Fußballalmanach geblättert, als sie über eine interessante Personalie gestolpert sind: 1996 wechselte Huub Stevens von Roda Kerkrade zu Schalke 04. Er hatte den Durchschnittsklub gerade mit viel Disziplin in den UEFA-Cup geführt und hinterließ ein schweres Erbe. Sein Nachfolger in Kerkrade wurde Martin Jol. Der nahm das Stevens-Erbe an und holte gleich in seinem ersten Jahr den niederländischen Pokal.

In Hamburg reifte wohl ein wirrer Plan: Jol ersetzt den erfolgreichen Stevens, dreht an zwei, drei Knöpfen und der HSV holt bald einen Titel. Doch so ganz abwegig ist der nicht. Denn Martin Jol ist das Anti-Stevens-Double, er ist wie Stevens und dann doch wieder ganz anders. Die große Stärke des neuen Niederländers besteht genau in seinem leicht schizophrenen Stil. Jol lässt sich als Trainer nicht so leicht etikettieren wie Huub Stevens. Seine ehemaligen Spieler in Tottenham beschreiben ihn als väterlichen Freund. Aber die Grimassierungen kalten Zorns beherrscht er ebenso, wirkt nach außen oft kalt und unnahbar.

Vielleicht braucht die Mannschaft des HSV genau eine solche Coaching-Chimäre. Hieß es doch erst, sie sei ein untrainierbarer Haufen, den man mit allen Mitteln disziplinieren müsse. Dann aber, die verstörten Kinder bräuchten einfach jemanden, der sie streichelt. Die Frage war scheinbar immer: Schleifer Stevens oder Streichler Klopp. Jetzt lautet die Antwort: Martin Jol. In der einen Hand den Schleifstein, in der anderen einen Bonbon. LUCAS VOGELSANG

Fotohinweis:MARTIN JOL, 50, ist Holländer, Schleifstein, Bonbon – und damit der ideale neue Trainer für den HSV. FOTO: DPA