Dein Nachbar, der Meiler

Wegen der Gefahr von Terrorangriffen gehen Anwohner gegen die Genehmigung von AKW vor. In Niedersachsen endet das mit einem saftigen Gebührenbescheid, Schleswig-Holstein prüft noch

VON KAI SCHÖNEBERG

„Herr Schäuble erzählt jeden Tag, dass wir Angst vor terroristischen Angriffen haben müssen“, sagt Andreas Meihsies. Er hält es für „völlig paradox, dass trotzdem nichts unternommen wird, die Betreiber von Atomkraftwerken zum wirksamen Schutz vor terroristischen Angriffen zu zwingen“.

Deshalb hat der einstige Grünen-Landtagsabgeordnete beim für Atomaufsicht zuständigen Sozialministerium in Kiel beantragt, die Betriebsgenehmigung für das AKW Krümmel zu entziehen. Meihsies wohnt in einem kleinen Ort bei Lüneburg, genau 17 Kilometer entfernt von Krümmel. Der Pannen-Meiler, der seit einem Jahr wegen eines Feuers stillgelegt ist, ist ihm ohnehin nicht ganz geheuer.

Die Vernebelungsanlage, die seit vergangenem Jahr das AKW Grohnde als bundesweit erstes Atomkraftwerk vor einer Attacke aus der Luft schützen soll, hält Meihsies für völlig wirkungslos: „Kernkraftwerke sind Terrorangriffen schutzlos ausgesetzt.“ Richtig zuversichtlich macht ihn ein Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts von April.

Danach können AKW-Nachbarn von Meiler-Betreibern Maßnahmen zum Schutz gegen Terrorattacken fordern und deren Sicherheitskonzept überprüfen lassen. „Die staatliche Terrorbekämpfung entbindet den Anlagenbetreiber nicht von der Pflicht, Schutzmaßnahmen zu ergreifen“, hatte der Richter geurteilt und die Sache zurück an das Oberverwaltungsgericht in Schleswig verwiesen. Hier hatte ein 65-Jähriger, der knapp sechs Kilometer entfernt vom Atomkraftwerk Brunsbüttel wohnt, die Genehmigung für das dortige Zwischenlager widerrufen lassen wollen.

Der Kläger hält das Lager, in dem bis zu 80 Castoren mit abgebrannten Brennstäben passen, für nicht ausreichend gegen einen absichtlichen Flugzeugabsturz oder den Beschuss mit Panzerfäusten gesichert.

Die Behörden in Kiel prüfen den Antrag von Meihsies noch. Sie haben dem AKW-Betreiber bis Ende Juni Zeit gelassen, eine Stellungnahme abzugeben. Ihre Kollegen im für Atomaufsicht zuständigen Umweltministeriums in Hannover waren schneller.

Hier hatte die grüne Landtagsabgeordnete Ina Korter einen ähnlichen Antrag wie Meihsies gestellt: Sie wohnt zehn Kilometer vom Atomkraftwerk Unterweser entfernt und hoffte auch, zum ersten Mal eine Genehmigung für einen Meiler zu knacken.

Als Korter vor kurzem den Bescheid aus dem Haus von Minister Hans-Heinrich Sander (FDP) erhielt, war sie gleich doppelt geschockt: Ihr Stilllegungs-Antrag wurde nicht nur abgeblockt, anbei erhielt sie außerdem eine saftige Rechnung über 8.720 Euro. „Solche Gebühren sollen wohl die Bürger davon abschrecken, solche Anträge wieder zu stellen“, sagt Korter. Derzeit überlegt sie, ob sie Widerspruch gegen den Bescheid einlegen will.

Aus dem Sander-Ministerium heißt es, Korters Antrag sei „äußerst aufwendig“ gewesen. „Unsere Experten haben sich sicher 100 Stunden damit befasst, die Gebühren sind ordnungsgemäß nach Atom- und Verwaltungskostengesetz erhoben worden“, sagt eine Sprecherin.

Offenbar droht Andreas Meihsies mit seinem fast gleichlautenden Schreiben in Kiel keine Kostenlawine. „Wir prüfen noch“, heißt es aus dem schleswig-holsteinischen Sozialministerium, „ob wir überhaupt eine Gebühr erheben“.