Himmelhohe Erwartungen, überall

Bei ihrer dritten EM-Teilnahme muss sich die Türkei einmal mehr gegen Portugal bewähren. Außerdem stehen für das Team von Fatih Terim an: Image aufpolieren, sportliche Talfahrt stoppen – und das Griechenland des Turniers werden

Das T-Problem der Portugiesen scheint geklärt: WM-Elfmeterheld Ricardo wird zwischen den Pfosten stehen. Die Fäden im Mittelfeld zieht Deco, im Sturm ist Cristiano Ronaldo gesetzt. Die Bundesligalegionäre Almeida und Meira müssen sich den Turnierauftakt wohl von der Bank aus ansehen.Portugal: Ricardo – Bosingwa, Pepe, Ricardo Carvalho, Ferreira – Deco, Petit, Moutinho – Ronaldo, Nuno Gomes, Simao Türkei: Demirel – Sarioglu, Gökhan Zan, Servet, Hakan Balta – Aurelio, Erdinc, Altintop, Belözoglu, Tuncay – Nihat Anstoß: Sa, 20.45 Uhr (ZDF)

BELLEVUE taz ■ Portugal gegen Türkei, das ist zumindest aus türkischer Sicht ein EM-Klassiker. Bei der EM 1996 fuhr man punkt-und torlos und mit einer 0:1-Niederlage gegen die Portugiesen nach Hause. Vier Jahre später war gegen die Portugiesen im Viertelfinale Schluss. Das ist auch jetzt das Minimalziel. Doch für die Türken geht es auch darum, das ramponierte Image ihres Fußballs aufzupolieren.

Nach dem dritten Platz bei der WM 2002 befindet sich der Lieblingssport der Türken im freien Fall. Wurde das Verpassen der EM 2004 noch als Ausrutscher angesehen, bedeutete das skandalöse Scheitern bei den Ausscheidungsspielen zur WM 2006 gegen die Schweiz für das Ansehen des türkischen Fußballs schweren Schaden. „Wir kommen als Freunde“, sagt Trainer Fatih Terim nun, der damals mit nationalistischen Parolen die Stimmung vergiftet hatte. Auch im Lager der Türken am Genfer See verbreitet der Trainer wieder jene Aura, die bei dem 54-Jährigen eher selbstherrlich als selbstbewusst daherkommt. „Vor vier Jahren hatte die Griechen auch niemand auf der Rechnung. Warum soll uns das diesmal nicht gelingen?“

Der Trainer leitete kurz vor der EM jenen Generationswechsel ein, dem er über Jahre im Wege stand. Er verzichtete auf die abgehalfterte Stürmerlegende Hakan Sükür. Ein kluger Schachzug. Für größere Debatten sorgte anderes. Terim strich die Stuttgarter Bastürk und Halil Altintop von Schalke aus dem Kader. Zumindest im Falle Bastürks ist das Vorgehen nachvollziehbar. Der kleine Spielmacher schaut auf eine verkorkste Saison zurück. Zudem hat Terim in seinem 4-2-3-1-System für Bastürk keine Verwendung. Und Altintop – der hatte noch nie einen großen Stellenwert bei Terim. „Nihat und Semih sind derzeit besser als Halil“, sagte Terim, der mit dieser Entscheidung auch die Psyche seines Lieblingsspielers Hamit Altintop, Zwillingsbruder von Halil, belastete. „Natürlich war das ein Schock“, kommentierte Hamit. Terim, ein gewiefter Strippenzieher und Menschenfänger, konterte: „Hamit ist ein großartiger Spieler, er kann ein Star dieser EM werden.“

Achillesferse auf dem Weg, die „himmelhohen Erwartungen des türkischen Volkes“ (Terim) zu erfüllen, könnte die Abwehr sein. Torwart Volkan schwankt zwischen Slapstick und Weltklasse, die Innenverteidiger Servet und Gökhan Zan sind nicht die Schnellsten. Viel wird gegen die Portugiesen davon abhängen, wie der eingetürkte Brasilianer Mehmet Aurelio und Routinier Emre im Mittelfeld die Defensive organisieren und wie die Außenverteidiger, der in Berlin geborene Hakan Balta und Sabri, Portugals Ronaldo vom Tor weghalten können. Baltas Familie wird das erst fünfte Länderspiel ihres einst bei Hertha verkannten Sohnes im Fernsehen verfolgen. Bruder Tolga wünscht: „Hoffentlich erwischt Ronaldo keinen so guten Tag.“ TOBIAS SCHÄCHTER