Talent am Tresen

Die Beachvolleyballerinnen Sara Goller und Laura Ludwig holen den EM-Titel – und hoffen nun auf Olympia

HAMBURG taz ■ Der Sprecher auf dem Center Court vor dem Hamburger Rathausmarkt hat schon hunderte Beachvolleyball-Partien moderiert, aber dieser junge Mann bringt ihn aus der Fassung: „Meine Güte, was für ein Monsterblock“, rief er ins Mikrofon, als sich Stefan Uhmann mal wieder nach oben geschraubt und den Ball brachial nach unten gedrückt hatte.

Uhmann ist ein Phänomen, über die der Zirkus der Sandathleten staunt. 2,12 Meter lang, 23 Jahre jung und mit begnadeten Anlagen für seinen Sport ausgestattet. „Dieser Junge hat alles im Überfluss mitbekommen, was ein begnadeter Ballsportler braucht“, sagt Jörg Ahmann, der vor acht Jahren die olympische Bronzemedaille gewann und heute als Bundestrainer fungiert. „Wofür andere hart arbeiten müssen“, sagt Nationalspieler Julius Brink, „bekommt er geschenkt.“ Und die etablierten Kräfte im Sand dürfen sich auf ernst zu nehmende Konkurrenz einstellen. Uhmann zog bei den mit 200.000 Euro dotierten Europameisterschaften in Hamburg mit seinem Partner Kay Matysik ins Finale gegen die Niederländer Reinder Nummerdor und Richard Schuil ein [bei Redaktionsschluss noch nicht beendet].

Matysik und Uhmann rissen die Zuschauer auf dem Center Court zu Begeisterungsstürmen hin. Doch diese Leichtigkeit des Seins, die das Duo in Hamburg vermittelte, hat es nicht immer gegeben. Im Gegenteil: Schon mehrmals standen Matysik und Uhmann vor einer Trennung, zuletzt kriselte es beim Grand Slam in Berlin so heftig, dass ein weiteres gedeihliches Miteinander ausgeschlossen schien. An Uhmanns Lebensführung scheiden sich die Geister. Der baumlange Kerl lässt es gerne mal krachen, die Party und der Tresen sind ebenso sein Revier wie der Sandplatz. Uhmanns Trainer Andre Fröhlich weiß, dass zwei Herzen in der Brust seines Schützlings schlagen: „Er will als Spieler weiterkommen, aber auf der anderen Seite ist er jung und kommt vom Dorf. Da ist diese bunte Scheinwelt der Beachvolleyballer natürlich verführerisch.“

Das birgt Konfliktstoff. Uhmanns früherer Partner, Florian Huth, hat die Zusammenarbeit entnervt beendet, und auch Matysik ist immer wieder an Grenzen gestoßen. Eine ganze Reihe Beachvolleyball-Fachkräfte hat bereits versucht, den Hochbegabten zu zähmen, bislang jedoch ohne Erfolg. Für Trainer Andre Fröhlich ist Uhmann „meine größte Herausforderung“. Er sieht sich auf einem guten Weg, „schließlich wollte ja keiner mit ihm zusammenarbeiten, weil die Eskapaden so groß waren. Und jetzt gehören wir zu den besten Teams Europas.“

Probleme mit dem Arbeitsethos haben Sara Goller und Laura Ludwig nicht. Das Duo, das für Hertha BSC Berlin ans Netz geht, gewann das Finale von Hamburg gegen die Norwegerinnen Nila Ann Hakedal und Ingrid Toerlen und bewies beim 2:0 (26:24, 22:20) einmal mehr, dass es seinen Ruf als Spezialist für enge Spiele zu Recht trägt. Sieben Sätze gewannen Goller/Ludwig im Turnierverlauf mit dem Minimalvorsprung von zwei Punkten, sie gaben nicht einen ab.

„Wir bieten den Zuschauern hier pure Spannung“, sagte Laura Ludwig mit einem breiten Grinsen, „aber sonst ist es ja auch langweilig“. Sara Goller und Laura Ludwig sind nicht nur auf dem Sandplatz Gewinner, sondern auch, wenn der Ball ruht. Wo andere ihre Konflikte lautstark austragen oder sich mit Aggressivität pushen, pflegen die Nationalspielerinnen eine betont behutsame Partnerschaft. „Man kann auch mit Harmonie zum Erfolg kommen“, sagt Manager Roland Weißbarth.

Nun gilt es, die gute Form bis zu den Olympischen Spielen zu konservieren, um sich in den Blickpunkt zu schmettern, wenn die Weltöffentlichkeit zuschaut. Peking bietet eine gute Möglichkeit, das Team Goller/Ludwig weiter in den Fokus zu rücken. „Du kannst zwar nie genau prognostizieren, wie sich das Medieninteresse in Sachen Beachvolleyball entwickelt“, sagt Weißbarth, „aber wenn die Mädels da Erfolg haben, ist das eine riesige Chance. So telegen, wie sie sind.“

FELIX MEININGHAUS