Höchst moderne Fußarbeit

Für Belén López, Star des 13. Flamencofestivals im Pfefferberg, ist Flamenco Kunst, nicht Lebensstil. Aber etwas anderes als die Welt des Tanzes hat sie in ihrem jungen Leben noch nicht ausprobiert

VON EDITH KRESTA

Tacka, tacka, tacka … Belén López tanzt den Flamenco virtuos und im schlichten Schwarzen. Wirkte die schmale Katalanin vor der Aufführung in einem Hinterzimmer in Madrid wie irgendein gestyltes Mädchen aus dem Stadtviertel La Latina mit auffallend hochhackigen, rosa Pumps, Jeans und bauchfreier Bluse, so verwandelt sie sich auf der Bühne in eine klassische Schönheit. Sie wirkt ernster, reifer, als wären die rosa Pumps ein Versehen.

Mit ihren schwarzen, langen Haaren, dem dunklen Teint und den kastanienbraunen Augen sieht die feingliedrige, kleine Tänzerin wie eine waschechte andalusische Zigeunerin aus. Doch die Katalanin mit Wurzeln in Andalusien tanzt einen modernen Flamenco, der stark auf die rhythmische Fußtechnik zentriert ist. Noch nicht lange ist es her, dass Fußarbeit beim Flamenco vor allem Männersache, die Armarbeit Frauensache war. Heute gleichen sich die Figuren von Frauen und Männern auch beim Flamenco an.

Das „Casa Patas“ im Zentrum von Madrid ist für Belén López, die am Samstag beim Flamencofestival auf dem Pfefferberg erwartet wird, ein Heimspiel. Hier tanzt sie vor Madrilenen und einigen Touristen. Der kleine Vorführraum im Hinterzimmer einer Bar ist jetzt im Sommer bei 33 Grad Hitze noch abends um 23 Uhr eine Herausforderung: überfüllt, heiß, eng. Ihr Tanz wird eingeleitet durch den „cante jondo“, den klagenden Gesang, einer fünfköpfigen Musikergruppe. Mit spanischer Gitarre, Schlaginstrumenten und rhythmischem Klatschen begleiten sie die Tänzerin.

Belén López Flamenco ist eher provozierend als lockend, eher eckig als rund. Jeder Teil ihres Körpers ist involviert: Oberkörper, Arme, Hände, Finger, der Blick. Durch die vielgestaltige Abwechslung zwischen schnellen und langsamen Passagen gelingt es ihr, die Spannung aufrechtzuerhalten.

Ihre Grazie und Präzision haben eine Geschichte: Schon mit drei Jahren, versichert sie an der Theke des „Casa Patas“, wollte sie nur eins: Tänzerin werden. „Tanzen ist mein Leben. Meine Leidenschaft, seit ich ein kleines Kind war.“ Ihre Mutter schickte sie zum Tanzunterricht. Mit fünf tanzte Belén López bereits für Antonio El Bailarín, den großen Flamencotänzer des 20. Jahrhunderts. Eher scheu als selbstbewusst erzählt sie von ihrer Kinderkarriere.

Mit elf Jahren ging sie mit ihrer Mutter vom katalanischen Tarragona nach Madrid ans Tanzkonservatorium, um Flamenco, Bolero, klassischen spanischen Tanz und spanische Folklore zu lernen. In Madrid lehren die besten Professoren, dort ist die beste Ausbildung möglich. „Ich komme aus einer einfachen Familie. Es war sehr schwierig für meine Familie, meine Ausbildung zu finanzieren, aber sie haben mich alle moralisch und finanziell unterstützt. Dafür bin ich sehr dankbar.“ Nach einem Tagesprogramm mit Tanzausbildung und Schule trat Belén nachts, nach 22 Uhr im „tablao“ Corral de la Morería auf, der bekanntesten Flamencobühne Madrids.

„Arbeiten, arbeiten, arbeiten. Immer. Ich musste ja Geld dazuverdienen“, sagt sie. „In fünf Jahren machte ich die Ausbildung, für die man normalerweise zehn Jahre braucht.“ Es wundert nicht, dass die erst 22-jährige Tänzerin heute über Schmerzen im Knie klagt. „Ich musste wegen Knieschmerzen schon einmal einen Monat aussetzen. Das war schrecklich! Ohne zu tanzen kann ich nicht leben!“

Eine ihrer wichtigsten Lehrerinnen war Blanca del Rey, die Grande Dame des Flamencotanzes. Der Premio Nacional de Flamenco „Mario Maya“ und der Premio al Artista Revelación sind nur die wichtigsten der unzähligen Preise, mit denen die Tänzerin, die in Paris, Brüssel, Moskau und Bukarest auftrat, ausgezeichnet wurde.

Der Flamenco wurde von vielen Kulturen geprägt und verbindet jüdische, arabische und spanische Einflüsse. Und er wurde von den „Gitanos“ weiterentwickelt. „Flamenco ist in erster Linie etwas Spanisches“, findet Belén. „Doch die Zigeuner nehmen es als ihr Erbe, weil sie Flamenco tatsächlich sehr gut können. Doch ich werde von ihnen akzeptiert.“

Vor zwei Jahren gründete Belén López ihre eigene Compañía, für die sie auch choreografiert. Nach Berlin kommt sie mit zwei der jungen FlamencokünstlerInnen aus der modernen Madrider Szene, die sie um sich versammelt. „Ich kenne die Flamenco-Szene sehr gut“, sagt Belén und nippt an ihrem Mineralwasser, „aber durchzechte Nächte, wie sie dem Flamenco-Milieu nachgesagt werden, interessieren mich nicht. Ich lebe gesund und arbeite am liebsten mit Gleichgesinnten. Der Flamenco ist für mich Kunst und hat nichts mit einem Lebensstil zu tun.“

Samstag, 20.30 Uhr im Pfefferberg