Mineralöl statt Kürtensprudel

Neben Bremens letztem Wasserwerk soll ein Autohaus samt Reparaturwerkstatt gebaut werden. Die Ansiedlung im Schutzgebiet ist nach Ansicht von Umweltschützern ein vermeidbares Risiko

Von Henning Bleyl

Auch in Trinkwasserschutzgebieten der Kategorie III dürfen Autohäuser und sogar Reparaturwerkstätten angesiedelt werden. Hartmut Schurr, Anästhesist und Mitglied beim Umweltschutzverband BUND, weiß das. Was ihn bei dem geplanten Bau einer solchen, 6.000 Quadratmeter überdeckenden Anlage in Bremen-Nord jedoch nachhaltig stört, ist der nur 70 Meter kurze Abstand zur nächsthöchsten Sicherheitszone – sie umgibt das Blumenthaler Wasserwerk, dessen Umgebung im Übrigen eines der wichtigsten Brut- und Wandergebiete von Erdkröten, Fröschen und Teichmolchen ist.

„Wenn hier etwas passiert, sind die Schadstoffe sehr schnell im hochsensiblen Bereich“, sagt Umweltschützer Schurr. Der Untergrund sei besonders sandig und durchlässig, zudem sorge die nur wenige hundert Meter entfernt fließende Weser für kräftige Grundwasserströmung.

Das Blumenthaler Wasserwerk mit seiner als „Kürtensprudel“ bekannten außerordentlich guten Wasserqualität – benannt nach dem Wasserwerk-bauenden Bürgermeister – trägt immerhin 18 Prozent zur gesamten Bremer Wasserversorgung bei. Es ist das einzige noch aktive Wasserwerk der Stadt. Im Gegensatz zu Bremerhaven, das seinen Trinkwasserbedarf zu hundert Prozent aus dem eigenen Grundwasser decken kann, muss Bremen seinen übrigen Bedarf aus dem Umland, etwa Verden, Oldenburg und Ostfriesland, hinzu kaufen. Auch vor diesem Hintergrund kritisiert der BUND-Landesverband die Ansiedlung als „vorschnelle Entscheidung zu Gunsten der gewerblichen Wirtschaft“.

„Uns wäre es auch lieber, wenn das Autohaus woanders hin käme“, sagt Georg Musiol, Abteilungsleiter „Naturschutz und Wasser“ im Bauressort. Der Bauantrag werde deswegen nur nach den Bedingungen der VAWS, der „Verordnung über Anlagen zum Umgang mit Wasser gefährdenden Stoffen“, genehmigt. Seien dessen deutlich erhöhte Sicherheitsanforderungen jedoch gewährleistet, bestehen laut Musiol „aus wasserfachlicher Sicht“ keine konkreten Bedenken.

Weil das Bremen-Norder Bauamt für die Autohaus-Ansiedlung ein „beschleunigtes Verfahren“ zugelassen hat – einen „Vorhaben bezogenen Bebauungsplan“, den der Bauträger selbst erstellen darf – muss allerdings keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden. Die aber hätte die verpflichtende Prüfung von Standortalternativen beinhaltet – auch an diesem Punkt setzt die Kritik des BUND an. „In Bremen-Nord gibt es zahlreiche geeignete Brachen“, sagt Schurr, „da muss ein Autohaus wirklich nicht im Trinkwasserschutzgebiet stehen.“

Gegenüber vakanten Flächen wie etwa der ehemaligen Stadtküche oder dem Gelände der Bremer Wollkämmerei hätte die Blumenthaler Aue – aus Sicht des Autohauses – freilich einen entscheidenden Vorteil: die perfekte Autobahnanbindung durch die A 27. Bislang sitzt das Autohaus in Farge.

Ein hydro-geologisches Gutachten hat mittlerweile ergeben, dass das Blumenthaler Gelände bereits mit den als giftig bekannten „Polizyklischen aromatisierten Kohlenwasserstoffen“ (PAK) belastet ist, vermutlich eine Folge älterer, illegaler Schuttablagerungen. Für die Kritiker des Vorhabens ist das ein zusätzliches Argument, auf weitere „absolut unnötige Risiken“ zu verzichten.

Das Umweltressort wiederum betont, dass sich der Mittelwert der gemessenen PAK-Belastung im zulässigen Rahmen befinde. Nach dem Ende der Sommerpause wird sich die Baudeputation mit dem Vorgang befassen, zahlreiche Einwendungen von Anwohnern und Umweltschützen liegen bereits vor.