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Das „Projekt Enterprise“ ist einmalig in Deutschland: Jugendliche Existenzgründer erhalten in Brandenburg neben Startkapital auch einen Mentor, der bei unerwarteten Problemen hilft

Wir haben meist mit Kleinstunternehmen und Ein-Mann-Betrieben zu tun

von JEANNETTE GODDAR

Als Thekla Kriesel zum ersten Mal zur Tür hereinkam, war das wie eins dieser viel zitierten „Aha“-Erlebnisse: „Ich habe den Laden gesehen, mich umgeguckt und sofort gedacht: Wie toll, so etwas hätte ich auch gern!“ Die damals 25-Jährige, gelernte Sozialarbeiterin und arbeitslos, war eher zufällig in die neu eröffnete Töpferei neben dem Dom in Brandenburg an der Havel geraten. Sie kam mit dem Besitzer ins Gespräch, der ihr spontan anbot, sie als eine Art inoffiziellen Lehrling aufzunehmen. Bei ihm lernte Thekla Kriesel, Vasen, Tassen, Kannen und andere Gefäße zu drehen. Nach Feierabend übte sie zu Hause mit der kleinen Drehscheibe, die ihr Vater ihr einst geschenkt hatte – und die seitdem im Hobbykeller stand. Ein paar Monate später eröffnete ihr der Lehrmeister, er trage sich mit Umzugsplänen. „Wie lange brauchst du, bis du übernehmen kannst?“, fragte er. „Eineinhalb Jahre“, antwortete sie, wobei sie schlicht daran dachte, wie lange sie benötigen würde, um sich handwerklich fit genug zu fühlen. Wie sie die Übernahme finanzieren solle, war ihr ein komplettes Rätsel.

Sie fand einen Weg, den es bisher in Deutschland nur in Brandenburg gibt, der aber zurzeit mit EU-Geldern auch in anderen Bundes- und europäischen Ländern vorgestellt wird. Thekla Kriesel wandte sich an das „Projekt Enterprise“, ein Programm für jugendliche Existenzgründer. Dort bekam sie nicht nur 12.000 Mark Startkapital, sondern auch Hilfe bei der Erstellung eines Businessplans, einen Mentor für Problemlösungen.

Kurz gesagt funktioniert Enterprise, das vom Bundesarbeitsministerium sowie vom Potsdamer Jugendministerium gefördert wird, so: Wer unter 27 ist und eine Idee für eine Existenzgründung hat, kann sich an eins der Büros in Brandenburg an der Havel oder Cottbus wenden. Dort sitzen die Mitarbeiter des Enterprise-Trägers „IQ e. V.“ und erörtern die Plausibilität des Projekts. Erscheint es nicht auf Anhieb unrealistisch, bekommen die Neukunden, die laut Förderkriterien arbeitslos oder „von Arbeitslosigkeit bedroht“ sein müssen, einen Berater zur Seite gestellt. Mit dessen Hilfe – aber möglichst eigenständig – entwickeln sie einen Businessplan. Erst wenn dieser fertig ist, entscheidet ein sechsköpfiges Gremium, in dem auch ein Bankenvertreter und ein Repräsentant der Industrie- und Handelskammer sitzen, über die Kreditwürdigkeit. Wer mit seinem Businessplan besteht, kann eine Finanzhilfe von bis zu 7.000 Euro zu einem Zinssatz von 5 Prozent beantragen. Zu besseren Zeiten – und Thekla Kriesel kam zu besseren Zeiten – gab es diese noch als Zuschüsse. Als das Geld knapp wurde, richtete man stattdessen einen „revolvierenden Fonds“ ein, der sich – zumindest theoretisch – immer wieder füllt, wenn die erfolgreichen Gründer das Geld zurückzahlen. Zeit dazu haben sie vier Jahre. Scheitert eine Gründung, was bisher in 6 von 50 Fällen passiert ist, kann man einen Antrag auf Erlass stellen.

Nun mag man denken, dass sich mit 7.000 Euro heutzutage ohnehin nichts gründen lässt. Doch das täuscht: „Wir haben es fast immer mit Kleinstunternehmen und Ein-Mann-Betrieben zu tun“, sagt Katrin Adam, Leiterin des „Projekt Enterprise“. Gegründet wurden bisher unter anderen: ein Lottogeschäft, eine Tierpension, ein Kosmetikstudio und ein Kinderkleidungsgeschäft.

So simpel wie die Gründungen erscheinen, war auch die gesamte Idee, die hinter der „Enterprise“-Gründung steckte: Schließlich, dachte man sich, mangele es Jugendlichen oft an vielem, aber selten an Ideen. Ob sie von einer Internetagentur, einem Musiklabel oder einem Skateboardverleih träumen: Viele würden gerne irgendetwas, was sie gut können und unter Umständen längst „schwarz“ erledigen, zu ihrem Beruf machen, ohne eine mehrjährige Ausbildung zu absolvieren. Für den Aufbau einer Existenz an Geld zu kommen ist allerdings für junge Leute oft kaum möglich. Ohne einschlägige Ausbildung, Bürgschaften und eine nennenswerte Summe Eigenkapital laufen sie sich in der Regel die Füße wund. Viele Banken vergeben gar nicht erst Kredite unter 20.000 Euro.

In Brandenburg beschleunigte noch etwas anderes den Start eines Existenzgründer-Programms: Seit Jahren kämpft das Bundesland angesichts von notorischem (Lehr-)Stellenmangel mit der massenhaften Abwanderung der jungen Generation. „Enterprise“ ist auch der Versuch, in einer strukturschwachen Region Selbstständigkeit als möglicherweise einzig realistische Alternative zu Umzug oder Sozialhilfe zu unterstützen. Mindestens ebenso wichtig wie die finanzielle ist aber die berufliche Unterstützung: Enterprise stellt nicht nur einen Mentor zur Verfügung; die Jugendlichen werden auch qualifiziert und individuell beraten. Von der Buchhaltung bis zum Steuerrecht können sie Seminare besuchen, konkrete Informationen einholen, Materialien zum Selberlernen ausleihen oder aus dem Netz downloaden. Im Anschluss an die Gründung stehen die Mitarbeiter vier Jahre lang für alle Fragen von „Wo versichere ich was?“ bis zu „Kann ich schon über eine Expansion nachdenken?“ zur Verfügung.

Das Vorbild des Brandenburger Programms stammt übrigens aus Großbritannien: Seit 1986 hat der „Prince’s Youth Business Trust“ (PYBT) unter den wachsamen Augen von Prinz Charles weit über 40.000 Jugendlichen zur Selbstständigkeit verholfen. Über zwei Drittel waren dauerhaft erfolgreich. In Deutschland hat Bundestagspräsident Wolfgang Thierse die Schirmherrschaft inne.