Geduckt aus der Stadt geflüchtet

Neonazi-Aufmarsch in Uetersen wird nach heftigem Gegenprotest an die Peripherie gedrängt und endet im Chaos. Rechte Kader im Norden üben „demonstrativen Schulterschluss“ mit dem Hamburger Strategen Christian Worch

von PETER MÜLLER und ANDREAS SPEIT

Am Ende müssen sie sich geduckt aus Uetersen verkriechen. Trotz polizeilichen Großaufgebots von 650 BeamtInnen werden PKWs und Busse der Neonazis mit Wurfgeschossen eingedeckt. Die Manifestation der höchstens 100 „Kameraden“ am Samstag ist danebengegangen, obwohl die wichtigsten Führungskader der militanten Neonaziszene im Norden zum „demonstrativen Schulterschluss“ mit dem Hamburger Strategen Christian Worch im Streit um seinen „Demotourismus“ in die Elbmarsch gekommen sind.

Der Aufmarsch hingegen läuft für Worch nicht gut: Zwar hatte er – wie berichtet – am Vortag vor dem Oberverwaltungsgericht in Schleswig den Marsch in den Kern der „Rosenstadt“ im Kreis Pinneberg durchgesetzt, aber 1500 AntifaschistInnen blockieren dennoch den von ihm begehrten Marktplatz. Im Anschluss an eine Protestaktion eines Bündnisses aus Gewerkschaften, Verbänden und Initiativen, auf der IG Metall Bundesvorstandsmitglied Horst Schmitthenner für ein konsequentes Vorgehen gegen Faschismus plädiert, haben der Chef der IG Metall-Unterelbe, Uwe Zabel, und Peter Gingold von der VVN sowie Pastor Johannes Bohnhold zum Verbleib auf dem Marktplatz aufgerufen. Polizeiliche Auflösungsverfügungen aus Lautsprecherwagen werden trotz der Drohung eines Staatsanwaltes mit einer Anzeige wegen Landfriedensbruchs von den Teilnehmern ignoriert.

Derweil gibt sich Worch zum Auftakt des Marsches gegen „Behördenwillkür“ – die sich an der behinderten Suche nach einer Stammkneipe für die „Kameradschaft Elbmarsch“ festmacht (siehe Beitext) – noch siegessicher. „Jetzt ist es für eine friedliche Lösung zu spät“, zetert er. „Die Behörden haben jetzt ein Problem.“ Und sie selber trügen die Schuld, so Worch, dass es zwischen ihm und der „Gegenseite zu keinem konstruktiven Gespräch“ kommen konnte, „wer den Marktplatz wann nutzt“.

Zeitgleich versuchen 150 türkische Kids und Antifas den Marsch ganz zu verhindern: Sie durchbrechen eine Polizeisperre nahe dem Nazi-Treffpunkt am Stichhafen. Erst unter Einsatz von Knüppel und Pfefferspray können die Polizisten sie im wahrsten Sinne „zurückschlagen“. So muss der Marsch der Rechten doch über eine Ausweich-Route durch die Peripherie verlaufen – vorneweg Räumpanzer, Wasserwerfer und Spezialeinheiten.

Dass der Anlass des Aufmarsches eigentlich nur aufgesetzt ist, offenbaren die Inhalte der Reden auf der Kundgebung am „Rosarium“. „Jetzt will man uns schon das Biertrinken verbieten“, schimpft der eigens aus Würzburg angereiste Kader Hartmut Wostupatsch: „Damit wird uns Deutschen ein wichtiges deutsches Kulturgut verwehrt.“ Thorsten Heise, der Chef der „Kameradschaft Nordheim“, sorgt sich indes gänzlich um das Deutsche Volk: „In unserer Kameradschaft fallen gerade die Kinder regelrecht vom Himmel.“ Folglich fordert er mehr deutsches Geld für deutsche Kinder.

Heise gibt an, nichts gegen Ausländer zu haben, aber die Überfremdung, führt er aus, mache ihm Sorge. Denn nach dem Koran werde jede Moschee, die einmal gebaut werde, „mit Blut verteidigt“. „Das macht mir Angst“, sagt er ausgerechnet in Uetersen, wo vor zwei Jahren ein Brandanschlag auf die Moschee verübt wurde.

Die Abfahrt vom Stichhafen gleicht letztlich einem Chaos. Nachdem die Polizei gerade noch eine Sitzblockade räumen kann, können die Beamten nicht verhindern, dass der Treck mit Wurfgeschossen eingedeckt wird. Bleche zerbeulen, Scheiben gehen zu Bruch, während die Rechten im Laufschritt ihren Konvoi begleiten. Im Rahmen der Auseinandersetzung nimmt die Polizei 18 Personen fest. Ein Neonazi, der Polizisten dabei den Stinkefinger zeigt, wird aus dem Auto gezerrt.