Der gefühlten Inflation zum Trotz: Berlin bleibt billig

Im Jahr 2002 stiegen die Preise nur um 1,0 Prozent, weniger als im Bundesdurchschnitt. Vor allem Lebensmittel billiger, Gaststätten teurer

Espresso, Disko-Eintritt, Pfannkuchen, Frisör- oder Kinobesuch – wer sich im letzten Jahr unbeliebt machte und die durchaus berechtigte Frage stellte, ob es sich um DM- oder Euro-Preise handele, staunt jetzt: Trotz des vermuteten deutlichen Preisanstieges bleibt Berlin billig. Im „Euro-Teuro-Jahr“ 2002 lag die Preissteigerungsrate bei nur 1,0 Prozent, der niedrigste Anstieg seit 1999, wie das Statistische Landesamt gestern bekannt gab. Im überregionalen Vergleich wird Berlin sogar billiger: Bundesweit stiegen die Verbraucherpreise mehr als in Berlin, um durchschnittlich 1,3 Prozent.

Allerdings verzeichneten die Statistiker im vergangenen Jahr auch in Berlin deutliche Preisanstiege, die zur „gefühlten Inflation“ beigetragen haben. So zogen zu Jahresbeginn die Preise für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke um satte 7,2 Prozent an. Im Jahresverlauf sanken sie aber wieder, ab dem Sommer gar unter die Ausgangswerte. „Dies trug wesentlich zu dem vergleichsweise moderaten Anstieg des Verbraucherpreisindex in Berlin bei“, erklärt der Preisentwicklungsexperte beim Statistischen Landesamt, Erwin Engels. Wahrscheinlich werde der Wettbewerb der großen Lebensmittelketten in Berlin härter als anderswo geführt. Auch die Preise für Textilien und Schuhe gaben deutlich nach.

Dennoch täuscht das Gefühl der Preiserhöhung nicht: Im Hotel- und Gaststättenbereich beobachteten die Statistiker eine deutliche Verteuerung. Dies beeinflusst die Inflationsrate aber wenig, weil die „Vergnügungspreise“ – darunter fallen auch alkoholische Getränke und Tabakwaren – im Gesamtindex gering gewichtet sind. Wichtiger sind Posten wie Wohnen, Verkehr und Nahrungsmittel. Fallen Hotels und Gaststätten nur mit 4,6 Prozent ins Gesamtgewicht, so schlägt der Bereich Wohnen (Wasser, Strom, Heizung inklusive) mit 27,4 Prozent zu Buche.

Für die „gefühlte Inflation“ hat der Statistiker Engels eine weitere Erklärung: „Wer bei vielen Bareinkäufen mit höheren Preisen konfrontiert wird, gewinnt schnell den Eindruck einer allgemeinen Entwicklung.“ Auch wenn es sich meist nur um kleine Beträge handelt. Beträge, die vom Konto abgebucht werden, würden weniger wahrgenommen. RICHARD ROTHER