Verdacht auf „bewusste Desinformation“

Flowtex-Gläubiger klagen gegen Baden-Württemberg: Ein Finanzbeamter soll die Scheingeschäfte gedeckt haben

FRANKFURT/M. taz ■ Jetzt steckt auch Baden-Württemberg mit in der Flowtex-Affäre. Eine Gläubigergemeinschaft, der unter anderem die Commerzbank und die Dresdner Bank angehören, reichte gestern Staatshaftungsklage gegen das Land ein. Ein Betriebsprüfer beim Finanzamt Karlsruhe soll jahrelang die Betrügereien von „Big Manni“ Manfred Schmider gedeckt haben, der mit seinen dubiosen Geschäften mit (meist) nicht existierenden gigantischen Bohrmaschinen über die Scheinfirma Flowtex in den 90er-Jahren rund 4,3 Milliarden Mark Umsatz „erwirtschaftet“ haben will.

Zum Pool der Gläubiger zählt auch die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) – ein delikates Detail. Denn noch nie in der Geschichte der Republik hat eine Landesbank gegen das eigene Land geklagt. Und noch nie zuvor ging es bei einer Staatshaftungsklage um so viel Geld: 900 Millionen Euro. Bis Redaktionsschluss verweigerte die LBBW jeden Kommentar. Im Umfeld von Insolvenzverwalter Eberhard Braun, dessen Rechtsvertreterin Elke Bäuerle die Klage beim Landgericht in Karlsruhe einreichte, geht man davon aus, dass auch die LBBW am Ende nicht alleine mit einem Riesenloch in der Bilanz dastehen möchte.

Jetzt wollen die betrogenen Gläubiger die – chronisch leere – Staatskasse anzapfen. Schließlich, so lautet die Begründung, habe der Betriebsprüfer schon vor 1996 gewusst, dass der im Dezember 2001 wegen bandenmäßigen Betrugs zu zwölf Jahren Haft verurteilte Schmider eine Scheinfirma für „Luftbuchungen“ (Staatsanwaltschaft) betrieb und seinen Kunden „Money for nothing“ abschwatzte, das sie sich zuvor von den Banken geliehen hatten. Außerdem ist bei Schmider selbst nichts mehr zu holen: Der gute Freund von Exministerpräsident Lothar Späth (CDU) hat seine geschätzten 350 Millionen Mark Reingewinn komplett durchgebracht.

Aufgeflogen war die Sache erst im Februar 2000, also mehr als vier Jahre nachdem der Betriebsprüfer Bescheid gewusst haben soll. Rechtanwältin Bäuerle wirft dem Betriebsprüfer nicht nur vor, zu lange geschwiegen zu haben. Er soll sich auch aktiv an der Verschleierung der Scheingeschäfte beteiligt haben. Der Beamte, so Rechtsanwältin Elke Bäuerle, habe „regelrechte Desinformationen“ in die Welt gesetzt.

Auch die Staatsanwaltschaft in Mannheim ermittelt gleich gegen mehrere Verdächtige bei den Finanzbehörden. Es gehe um den Verdacht der Strafvereitelung im Amt und der Bestechlichkeit. Mit großen Scheinen jedenfalls geizte „Big Manni“ nie. Auch CDU und FDP wussten das zu schätzen.

Die Gläubiger mussten jetzt handeln, weil gestern die Verjährungsfrist für die Staatshaftung ablief. Gespräche mit dem Land über eine Verlängerung dieser Frist waren gescheitert. Der Finanzminister als oberster Dienstherr der Finanzbehörde schaltete auf stur. „Wir werden uns verteidigen“, sagte ein Sprecher. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT