„Der Unipräsident will und versteht uns nicht“

Die Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät der Humboldt-Uni soll geschlossen werden. Das plant Unipräsident Jürgen Mlynek. Studierende wehren sich gemeinsam mit ihren Dozenten. Und versuchen zunächst einmal zu erklären, warum in der Großstadt die Landwirtschaft erforscht werden muss

von TILL BELOW

Ein grüner Unimog in der Menge – und drum herum nicht nur jugendliche Studenten, sondern auch ein paar ältere Demonstranten. Bei den großen Demonstrationen waren die Mitglieder der Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät kaum zu übersehen. Gemeinsam mit den Dozenten demonstrierte der akademische Nachwuchs des kleinen Instituts für dessen Erhalt – und gegen den gemeinsamen Feind: den Präsidenten der Humboldt-Universität (HU) Jürgen Mlynek. Der hatte Mitte Oktober in einem Eckpunktepapier zur Strukturreform vorgeschlagen, die Fakultät komplett dichtzumachen. Dadurch würde ein Großteil der Sparvorgaben für die HU erfüllt.

„Ich hätte nie gedacht, dass mir so etwas passieren könnte“, Konrad Hagedorn sitzt in seinem Büro in der Luisenstraße und beugt sich über den Forschungsbericht seines Instituts. Der Professor für Ressourcenökonomie an der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät ist empört. Das Vorgehen der Unileitung trage den Charakter eines im Geheimen vorbereiteten Überraschungsangriffs. „Das Präsidium wollte hinterrücks Tatsachen schaffen“, deshalb sei die Fakultät nicht an der Ausarbeitung des Strukturplanes beteiligt worden, meint Hagedorn.

„Mlynek ist es nicht gewohnt, demokratische Prinzipien einzuhalten, aber so geht man nicht mit Kollegen um“, betont der Professor. Mit Mlynek, dem Physiker aus Konstanz, wurde im Jahr 2000 eine bundesweit einzigartige Leitungsstruktur an der HU eingerichtet. Es gibt ein hauptamtliches Präsidium, dem neben Mlynek drei Vizepräsidenten und eine Vizepräsidentin angehören. Hagedorn fragt sich, ob die Macht dieses Präsidiums noch ausreichend kontrollierbar ist. „Eine schlagkräftige Managementstruktur gilt heute als yuppie, als schick, aber Institutionen, in denen Wissen produziert wird, können auf Partizipation nicht verzichten“, meint der Agrarökonom. Teuer ist das ungewöhnliche Präsidium allemal – nach Recherchen der Studierendenzeitung unaufgefordert kostet das Präsidium 600.000 Euro im Jahr, allein der Präsident erhält 180.000 Euro.

Zur Kritik an seiner Person möchte sich Jürgen Mlynek nicht äußern, die Vorwürfe seien reine Polemik. Seinen Kürzungsplan verteidigt der Unipräsident mit dem Argument, man sei nach messbaren und eindeutig ausweisbaren Leistungen in Lehre und Forschung vorgegangen. Anders gesagt: Es wird vor allem bei Bereichen gestrichen, die wenig Drittmittel einwerben, wenig publizieren und wenig Doktoranden haben.

Hagedorn kann diese Begründung nicht nachvollziehen, schließlich wurde seinem Institut gerade erst von einer externen Kommission bescheinigt, bundesweit zu den drei besten agrarökonomischen Instituten zu gehören. „Ich habe in den letzten fünf Jahren 3,8 Millionen Euro Drittmittel eingeworben, der Anteil an Drittmitteln liegt bei uns beinahe doppelt so hoch wie in der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät“, betont Hagedorn, der extra eine Forschungskooperation mit einer US-amerikanischen Nobelpreis-Kandidatin abgebrochen hat, um seine Fakultät zu retten.

„Insgesamt liegt die Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät nach der Leistungsbewertung im Mittelfeld“, bestätigt auch der LGF-Dekan Uwe Jens Nagel. Er ist sich sicher, dass die Leistungen in Forschung und Lehre keinen großen Einfluss auf Mlyneks Strukturüberlegungen hatten. „Das wesentliche Kriterium war unsere Altersstruktur – mit uns kann das Präsidium relativ schnell viel Geld sparen.“ Und sparen muss der Präsident, auch um an seinem Leitbild einer kleinen, feinen Eliteuniversität festhalten zu können. Da scheint die LGF nicht zu passen. „Agrarwissenschaften, so wie wir sie verstehen – angewandt, problemorientiert und gesellschaftsbezogen –, sind etwas, das Mlynek nicht will und nicht versteht“, glaubt der Dekan.

Noch vor zwei Jahren befürwortete Jürgen Mlynek die Konsolidierung der Fakultät – zumindest offiziell. Damals beschloss das Präsidium, die Agrarwissenschaft nach den Vorschlägen externer Gutachter umzustrukturieren. Von drei Standorten, der Invalidenstraße, dem Nordcampus und Dahlem, sollte einer aufgegeben werden. Der Lehrkörper sollte auf 31 Professuren schrumpfen. Sollte die Fakultät nun den neuen Schließungsversuch überleben, wird sie sich wohl mit dem Standort Invalidenstraße begnügen müssen. Dann werde man den Landwirten Druck machen, dass sie sich weiter räumlich konzentrieren, heißt es schon aus Kreisen der Unileitung. Das Areal in Dahlem könnte dann verkauft werden und brächte der Universität so langfristig beträchtliche Einnahmen. Trotz Flaute auf dem Immobilienmarkt sind die Flächen an der Lentzeallee heiß begehrt.

Wolf, ein Student mit langen Haaren und Bart, tritt in das Dekansbüro. Der Student ist seit drei Semestern für den Masterstudiengang Pflanzenbauwissenschaften eingeschrieben. Eigentlich könnte er sein Studium bald abschließen, alle relevanten Daten für seine Masterarbeit hat er schon erhoben, der Protest ist ihm aber wichtiger. „Wir müssen die Zukunft der LGF mindestens auf die Ebene der Berliner und brandenburgischen Landespolitik bringen“, schließlich sei ein zukünftiges Bundesland Berlin-Brandenburg stark agrarisch geprägt. Und die LGF ist die einzige Agrarfakultät in dem Gebiet.

Doch zum Leidwesen der Agrarakademiker verstehen die wenigsten Berliner, warum man ausgerechnet in einer Großstadt die Landwirtschaft erforschen muss. „Es geht um nicht weniger als die Ernährung der Menschen und eine sinnvolle Nutzung der Ressourcen“, weiß Wolf – und am liebsten würde er das auch Klaus Wowereit erklären. Dafür könne man den Regierenden in die Fakultät einladen, schlägt Wolf seinem Dekan vor. Die Gelegenheit sei günstig, schließlich besuche der Bürgermeister gerade das benachbarte Naturkundemuseum. Zumindest Wowereit solle verstehen, was Agrarwissenschaften sind und warum sie so herausragende Bedeutung haben.

Wolf ist von den vergangenen Streikwochen begeistert: „Da sind ganz verschiedene Leute zusammengekommen – vom absoluten Spießer bis zum Anarchisten, und jeder übernimmt Verantwortung.“ Diesmal formuliert der Dekan die Einladung, die Studis spielen die Überbringer.

Nur die Politiker zögern mit der Verantwortung. Als Wowereit aus dem Museum kommt, erwarten ihn etwa dreißig Studierende mit dem Einladungsschreiben. Doch der Bürgermeister möchte sich nicht äußern. Er beruft sich auf die Autonomie, die der Senat den Unis zugestanden habe. „Mit den Hochschulverträgen geben wir Planungssicherheit bis 2009, das ist doch schon sehr viel“, erklärt der Sozialdemokrat und steigt in sein Auto. „Planungssicherheit bis zur Schließung – das nenn ich Arroganz der Macht“, kommentiert eine Agrarstudentin trocken.