Neuer Präsident mit Rekordergebnis

Über 90 Prozent der Georgier stimmen für Michail Saakaschwili. Der steht unter hohem Erwartungsdruck

MOSKAU taz ■ „Nicht alles lässt sich an einem Tag erledigen, wir werden Schritt für Schritt vorgehen“, sagte Georgiens neu gewählter Präsident Michail Saakaschwili, als sich der überwältigende Sieg bereits abzeichnete. Nach vorläufigen Zählungen stimmten über 90 Prozent der 1,7 Millionen georgischen Wähler am Sonntag für den 36-jährigen Hoffnungsträger. Die Wahlbeteiligung lag bei 83 Prozent.

Das sind Rekordergebnisse, die den frisch gewählten Präsidenten unter enormen Erwartungsdruck setzen. Nach der im Zeitraffer verlaufenen „Revolution der Rosen“ und dem Sturz von Präsident Eduard Schewardnadse im November baut Saakaschwili nun allzu kühnen Erwartungen auf Besserung behutsam vor: „Was für eine schwere Last ich auf meine und wir auf unser aller Schultern geladen haben, habe ich erkannt.“ Georgiens Chaos zu beseitigen, mit der Korruption aufzuräumen, den Staatsapparat effizient und das Land für Investoren reizvoll zu machen, waren die Wahlkampfversprechen.

Beobachter sind sich einig, dass Saakaschwili schnell handeln muss, um den Vertrauensbonus auch für die Durchsetzung schmerzvoller Reformen zu nutzen. Die Inauguration des neuen Staatschefs ist für den 25. Januar vorgesehen, den Geburtstag Schewardnadses, der seinem Zögling offensichtlich verziehen hat. Auch er habe den jungen Politiker gewählt, verriet der Altpräsident. „Er ist jung, hat eine Menge Energie und eine gute Ausbildung“, meinte Schewardnadse. Er solle jetzt weniger reden und mehr arbeiten. In den nächsten Tagen wird die amtierende Präsidentin Nino Burdschanadse den Termin der Parlamentswahlen bekannt geben, die voraussichtlich im April stattfinden werden.

Neben den wirtschaftlichen und sozialen Problemen kämpft Georgien seit seiner Unabhängigkeit 1991 mit Abspaltungstendenzen autonomer Regionen. Die Provinzen Abchasien und Südossetien nahmen gar nicht erst an den Wahlen teil. Der Präsident Adschariens, Aslan Abaschidse, öffnete zwar die Wahllokale auf Druck von Tiflis und Washington, ließ die Wähler aber wissen, dass seine Partei an den Vorbereitungen nicht beteiligt sei. Das kam einem Aufruf zum Boykott gleich. Wenn dennoch 25 Prozent der adscharischen Wahlberechtigten zur Wahl gingen und 95 Prozent für Saakaschwili votierten, kann Tiflis dies als Erfolg werten. Abaschidse täte gut daran, sich schon nach einem Exilort umzuschauen.

Saakaschwili wird im Interesse der eigenen Autorität die Verfassungsverstöße und den autoritären Führungsstil in Batumi auf Dauer nicht dulden können. Wie in Südossetien und Abchasien, regiert auch in Adscharien indirekt Moskau mit. Saakaschwili, der ein Aufbaustudium in den USA absolviert hat, gilt als ein entschieden prowestlicher Politiker. In den Wochen vor der Wahl schlug er gegenüber dem Kreml versöhnliche Töne an. Die Integration Georgiens in Europa solle gemeinsam mit Russland verlaufen. „Es ist lebenswichtig, alle offenen Fragen zu lösen und gute Beziehungen zu unserem großen Nachbarn im Norden wiederherzustellen.“ Sein erster Auslandsbesuch werde ihn daher nach Moskau führen.

Saakaschwili hat in den Wochen vor der Rebellion bewiesen, dass er es meisterhaft versteht, die Dramaturgie eines politischen Dramas zu entwerfen. Diesen Genius erwarten die Wähler auch bei der Umsetzung von Reformen. Dies einzulösen, wird schwer. KLAUS-HELGE DONATH

meinung und diskussion SEITE 12