heute in bremen
: Gegen die geistige Bedürfnislosigkeit

Vor 20 Jahren gründete Pfarrer Hanns Kessler das „Lehrhaus“ – dort wird die Bibel anders gelesen

taz: Herr Kessler, vor 20 Jahren haben Sie das „Lehrhaus“ gegründet. Was ist das für ein Verein?

Hanns Kessler, katholischer Pfarrer: Das Lehrhaus geht zurück auf eine jüdische Tradition. Es ist ein Angebot zur Diskussion. Im Zentrum steht die Lektüre der Bibel: Was steht wirklich in den biblischen Texten, was will die Bibel und was will sie eigentlich nicht? Uns interessiert der Gang der Bibel durch die Geschichte mit all ihren positiven und negativen Folgen in Kunst, Malerei, Musik oder Politik. Kirchen bieten das viel zu selten an, klammern Befremdliches aus. Wir feiern auch einmal im Monat einen eigenen Gottesdienst.

Hat sich das Lehrhaus in diesen 20 Jahren verändert?

Anfangs herrschte viel größere Zurückhaltung, denn auch in Fragen der Religion gibt es ähnlich große Sprachhemmungen wie früher beim Thema Sexualität. Richtig Tacheles reden die meisten nicht sofort.

Wen erreichen Sie mit ihrem Programm?

In unseren Seminaren sind wenige junge Menschen, weil ihnen die Zeit fehlt. Wir freuen uns über Neugierige, Fragensteller, und Zweifler. Missionieren wollen wir nicht. Frömmigkeit ist keine Voraussetzung. Derzeit kommen montags rund 50 Menschen.

Gibt es in anderen Städten ähnliche Initiativen?

Das christliche Lehrhaus hätte Vorbild für die Gründung weiterer sein können. Einige schreckt es ab, wie mich die weitverbreitete geistige und gottesdienstliche Bedürfnislosigkeit vieler christlicher Gemeinden abschreckt.

Fragen: AKG

www.lehrhaus-bremen.de