Powell auf Mission

Der US-Außenminister in der Türkei: Misstrauen auf beiden Seiten angesichts der Lage im Nordirak

aus Istanbul JÜRGEN GOTTSCHLICH

Offenbar aufgrund wachsender Spannungen entlang der türkisch-irakischen Grenze ist US-Außenminister Colin Powell nach Ankara geflogen. Er wird heute mit der türkischen Regierung konferieren, vor allem um persönlich dafür zu werben, dass türkische Truppen auch weiterhin nicht in den Nordirak einmarschieren. Seit Wochen pendelt US-Sonderbotschafter Zalmay Khalilzad bereits zwischen Ankara und dem Nordirak, um zu verhindern, dass es zwischen den Kurden und Türken zu Zusammenstößen kommt.

Hintergrund für diese Pendeldiplomatie ist das diplomatische Desaster der USA bei dem Versuch, eine Nordfront für den Marsch auf Bagdad von der Türkei aus aufzubauen. Ursprünglich war geplant, dass rund 60.000 US-Soldaten gemeinsam mit türkischen Truppen vom Südosten der Türkei in den Nordirak einmarschieren und ein Teil der US-Infantrie dann von dort aus nach Bagdad vorstößt. Dabei hatte es allerdings von Beginn an Unstimmigkeiten gegeben, die die US-Diplomatie nie ganz ausräumen konnte. Während die Kurden dagegen protestierten, dass die „Befreier aus Amerika“ türkische Truppen mitbringen wollten, argwöhnte man in Ankara, die USA könnten die Bildung eines kurdischen Staates im Nordirak stillschweigend hinnehmen. Eine Schlüsselrolle in dem Konflikt spielten die Ölfelder um Kirkuk. Diese will die Türkei keinesfalls den Kurden überlassen, aus Furcht, damit könnte die materielle Basis für die kurdische Unabhängigkeit geschaffen werden.

Deshalb schaut man überaus misstrauisch auf die Entwicklung rund um Kirkuk. Nach den massiven Bombardements irakischer Stellungen vor der Stadt rückten kurdische Milizen in den letzten Tagen zumeist kampflos immer näher an Kirkuk heran. Kurdische Sprecher haben immer wieder betont, dass Kirkuk für sie eine kurdische Stadt ist, die Bestandteil ihres zukünftigen Autonomiegebietes sein muss. Rund um Kirkuk liegen Iraks ergiebigste Ölfelder. Deshalb hatte das Regime von Saddam Hussein dort mit allen Mitteln für unumschränkte Kontrolle gesorgt. Kirkuk war ursprünglich keine arabische Stadt. Zur Zeit der Osmanen lebten dort Turkmenen, assyrische Christen und Kurden. Unter Saddams Führung wurden die ursprünglichen Einwohner vertrieben und durch sunnitische Araber ersetzt. Noch nach dem ersten Golfkrieg ließ Saddam nach Angaben der amerikanischen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch weitere 120.000 Menschen vertreiben, hauptsächlich Kurden und Turkmenen.

Da die US-Truppen im Moment im Nordirak vor allem auf kurdische Unterstützung angewiesen sind, fürchtet man in Ankara, dass die USA ihr Versprechen, Kirkuk nicht den Kurden zu überlassen, nicht halten werden. Als Indiz dafür werten türkische Militärs die erste größere Auseinandersetzung, die bislang in den kurdischen Bergen stattgefunden hat. Gemeinsam mit 8.000 kurdischen Kämpfern waren US-Spezialeinheiten gegen Stellungen der angeblich mit al-Qaida liierten Ansar al-Islam vorgerückt. Aus Ankara wurde kritisiert, dass die US-Einheiten bei ihrem Angriff aber ein angeblich in der Nähe befindliches Lager der türkisch-kurdischen PKK ungeschoren gelassen hätten, obwohl die USA auch die Guerilla der PKK als „terroristische Gruppe“ einstufen würden.