Vom Model zum schreienden Schmetterling

In „Nico – Sphinx aus Eis“, das in Köln Premiere hatte, erleben die Zuschauer eine Reise durch das Leben der gebürtigen Kölnerin. Sie ging als Model nach New York und wurde Ende der Sechzigerjahre durch Andy Warhol zur Popikone

Es ist dunkel. Die Tür zum Zuschauerraum öffnet sich. Die Hauptfigur wird funkenmariechengleich auf den Schultern eines Kraftpakets auf die Bühne getragen: Nico ist die atemberaubende Model-Schönheit, die durch ihre exponierte Stellung als durchgeknallte Sängerin der Rockband Velvet Underground Ende der Sechziger durch Andy Warhol zur Kultfigur wurde.

Anfangs ist Nico noch Christa Päffgen, die 1938 in Köln geborene, scheinbar unbeschwert-naive Tochter eines wohlsituierten Kölners und einer Näherin. Allerdings deutet ihr in Schwarz und Weiß geteiltes Kleid schon jetzt auf ihre tiefe seelische Zerrissenheit hin, die die nun folgende Erzählung ihrer turbulenten Lebensgeschichte dominiert.

Die Hauptrolle in dem von Werner Fritsch geschriebenen und von Tita Gaehme inszenierten Stück ist doppelt besetzt: Anna Schäfer und die Berliner Sängerin Marianne Enzensberger verkörpern die Popikone zu Beginn und am Ende ihres Lebens. Zwillingsgleich stehen beide im ersten Bild neben einander und wischen sich in Zeitlupe Tränen aus dem Gesicht. Bei der jungen Nico sind es Freudentränen, die alte Nico weint.

In Nicos Leben liegen Gegensätze wie Glück und Schmerz, Himmel und Hölle, Jenseits und Jetzt, Hochgefühl und Turkey, Narzissmus und Selbstzerstörung dicht beieinander. Und die Symbolik dieser im Text ausgedrückten Gegensatzpaare finden sich auch im Bühnenbild und den Kostümen wieder: Schwarz, Weiß und Silbertöne wechseln sich ab. Während die junge Nico als elegante Lichtgestalt in platinblond und mit weißem Hosenanzug auftritt, erscheint die alte Nico als Punkqueen in schwarz-pink, mit Sonnenbrille und langen roten Haaren.

Dass die junge Nico zunächst lacht, lässt den Zuschauer auf ein gefühlsmäßiges „Auf“ und „Ab“ hoffen. Doch dann beginnt eine düstere Reise. Nico durchlebt ihre grauenhafte Kindheit – ihre Mutter wurde von Soldaten vergewaltigt, ihr Vater starb im Krieg – und geht dann als Model nach New York, um neu anzufangen. Doch trotz ihres Erfolgs als Femme Fatale beginnt ihr innerer und mit zunehmend exzessivem Heroinkonsum auch körperlicher Verfall.

Das Publikum leidet mit. Denn durchdringende Akkordeontöne schmerzen in den Ohren, stroboskopische Lichtblitze reizen die Augen, und die Aneinanderreihung von „Möchte-Gern“-Tabubrüchen (Befummeln im Genitalbereich, Nacktheit, sich mit Nutella beschmieren, Kotzen) drücken die Stimmung.

Herausragend ist allein ein Dialog zwischen der als Videoprojektion erscheinenden Figur Andy Warhols (ebenfalls gespielt von Anna Schäfer) und Nico. Er zieht die Zuschauer durch intelligente Wortwechsel in den Bann und hat mit Warhols Geständnis, er hätte ein Faible für Telefonsex mit Truman Capote, sogar etwas Komisches. In der übrigen Zeit flattern die beiden Darstellerinnen bezugslos und innerlich hässlich als „schreiende Schmetterlinge“ dem Tod entgegen. MARIKA DRESSELHAUS

Theater im Bauturm, Aachener Str. 24 in Köln: 2.-4. März, 14.-17. März, 24.-27. März und 15.-18. April, jeweils um 20 Uhr. Karten: 0221-524242