Wichtiger als das Nichts

Eine Tagung in Düsseldorf will über Samuel Becketts Verhältnis zur deutschen Kultur aufklären. Die weltweit wichtigsten Kenner des englischen Dramatikers kommen dafür am Wochenende zusammen

VON ACHIM ZOLKE

Samuel Beckett war in Deutschland verliebt. Doch was hat ihn an dieser Kultur so fasziniert, dass er immer wieder zurückkam? Therese Fischer-Seidel, Professorin für Neuere Anglistik an der Universität Düsseldorf will dieser Frage nachgehen und arrangiert die Tagung „Samuel Beckett und die deutsche Kultur“. Bis Sonntag ergründen die honorigsten Kenner, wodurch das „German Fever“ – so eine frühe Selbstdiagnose des 1989 verstorbenen Autors – ausgelöst wurde.

Deutschland bedeutete für den Künstler Beckett zweierlei. Inspiration in seinen jungen Jahren und Anerkennung seines Schaffens, seit er sich in den 50ern erfolgreich dem Drama verschrieben hatte. Im Nachkriegs-Deutschland gab es viele, die ihn und sein unorthodoxes Schreiben akzeptierten – vom Berliner Ensemble, über die frühe Förderung durch Suhrkamp-Leiter Siegfried Unseld bis zum damaligen SDR, wo Becketts Fernsehspiele realisiert wurden.

Dabei waren die ersten Deutschland-Visiten des englischen Dramatikers von ganz anderer Natur: Er war verliebt in Peggy Sinclair, eine entfernte Kusine. Ihr Vater, ein bedeutender Kunsthändler, führte Beckett in die Welt der modernen Malerei, namentlich des Expressionismus ein. So galt Becketts letzter Besuch vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs (1936/37) auch seiner wissbegierigen Liebe zur „entarteten Kunst“. Diese begeisterte den jungen Modernisten so sehr, dass er, wie Becketts Freund und Biograph James Knowlson beschreibt, sich einzelne Werke noch aus dem Keller hochbringen ließ, wo diese schon des Abtransports nach München für die berüchtigte Ausstellung harrten.

Mit den Worten „he knows my work best“ gestattete Beckett Knowlson das Verfassen der einzigen autorisierten Biographie. Knowlson wird heute auf dem Symposium über „Becketts erste Begegnungen mit dem Expressionismus in Kassel“ sprechen. Ein weiteres Highlight der Düsseldorfer Tagung ist der Vortrag von Roswitha Quadflieg. Die Hamburger Künstlerin und Autorin, Tochter des im vergangenen November verstorbenen Schauspielers Will Quadflieg wird ihre spannenden Rekonstruktionen von Becketts Hamburger Begegnungen schildern.

Tagungsleiterin Fischer-Seidel referiert über „Becketts Abschied“. Ihn sieht sie im Spätwerk „Nacht und Träume“ thematisiert, einem SDR-Fernsehstück, das Beckett 1982 auf deutsch schrieb und 1983 zwei Millionen Zuschauer fand. Der oft als „unverständlicher Absurdist“ Gebrandmarkte ist heute prominenter denn je. Die Referentin hat auch nichts dagegen einzuwenden, dass ausgerechnet Late-Night- Satiriker Harald Schmidt durch diverse Beckett-Aktivitäten (Schmidt hatte in seiner letzten Show auch eine Szene aus Becketts „Endspiel“ aufführen lassen) dem Schriftsteller einen gewissen Popularitäts-Schub verpasst: “Richtig so,“ meint die Professorin, Beckett sei komödiantisch und Harald Schmidt ist Komödiant. Viele Zuschauer, die wegen ihm eine Aufführung von „Warten auf Godot“ des Bochumer Ensembles besuchen, würden sich nun auch für Beckett interessieren. Das sei auch ein Verdienst von Harald Schmidt.

Programm: www.samuel-beckett.de