Rosenrevolutionär auf Erfolgskurs

Bei den Parlamentswahlen in Georgien am kommenden Sonntag hat die Partei von Staatspräsident Michail Saakaschwili gute Chancen zur stärksten Kraft zu werden

MOSKAU taz ■ Im zweiten Anlauf will Georgien am kommenden Sonntag nun endgültig ein neues Parlament wählen. Der erste Versuch im Herbst führte geradewegs in eine Revolution, die Präsident Eduard Schewardnadse das Amt kostete. Michail Saakaschwili, treibende Kraft der friedlichen „Rosenrevolution“, kürte der Kaukasusstaat im Januar mit 95 Prozent „Echtstimmen“ zum neuen Staatsoberhaupt.

Der 37-Jährige ist in dem seit Zusammenbruch der Sowjetunion von Krisen heimgesuchten Gemeinwesen die neue Lichtgestalt, auf die sich alle Hoffnungen konzentrieren. Das macht es schwer für die vielstimmige, aber schwächelnde Opposition. Saakaschwils Partei, die Nationale Bewegung, wird wohl stärkste Kraft im neuen Parlament.

Droht dem für Alleinherrscher empfänglichen Kaukasusflecken nun auch noch ein Einparteiensystem, wie die Opposition fürchtet? Saakaschwili hält die Ängste für unbegründet. „Wir haben schon eine Opposition im Parlament“, entwarnte er. Gemeint sind die 75 Abgeordneten, die über ein Direktmandat im November ins Parlament gewählt worden sind. Deren Mandate wurden – anders als die für die Parteien abgegebenen Stimmen – von der Zentralen Wahlkommission nicht annulliert. Die überwiegende Mehrheit dieser Abgeordneten zählt zu den Parteigängern des alten Schewardnadse-Regimes.

75 der 235 Sitze entfallen auf direkt gewählte Volksvertreter. Dennoch sind einige Einwände der Opposition nicht aus der Luft gegriffen. Die meisten kleineren Parteien dürften an der Siebenprozenthürde scheitern. 19 Parteien und Koalitionen gehen ins Rennen, die aber kaum mehr als vier oder fünf Prozentpunkte erwarten können. Auf den Vorstoß des Europarats, die Hürde auf vier bis fünf Prozent zu senken, ging Saakaschwili nicht ein.

Die Opposition moniert auch die Zusammensetzung der Wahlkommission. Der Vorsitzende der Partei der Arbeit, Schalwa Natelaschwili, forderte die OSZE daher auf, keine Wahlbeobachter zu entsenden. Solange Präsident und Regierung die Hälfte der Sitze in der Kommission innehätten, stünden Manipulationen Tür und Tor offen. Der Staatschef zog daraufhin die zwei Kommissionsmitglieder des Präsidialamts ab, während sich die Regierung quer stellt.

Wäre es nach der Opposition gegangen, hätten die Wahlen erst im Mai stattgefunden. Statt Anfang März, wie geplant, verlegte der Staatschef den Termin auf das Monatsende. Saakaschwili ist ein gewiefter Taktiker, der auf Kompromisse eingeht, ohne im Wesen der Sache nachzugeben. Diese Erfahrung machte auch der Präsident der autonomen Republik Adscharien. Aslan Abaschidse führt die Republik an der Grenze zur Türkei seit der Unabhängigkeit Georgiens 1991 wie der Potentat eines Scheichtums. Widerspruch und Opposition duldet er nicht. Gäbe er den Forderungen Tiflis’ nach freien Wahlen nach, wäre seine Legitimität gefährdet. Daher versucht der Provinzfürst der Stunde der Wahrheit zu entkommen. Dabei geht es auch um Geld.

Bislang steckte Adscharien Zolleinnahmen aus dem Grenzverkehr mit der Türkei und im Hafen von Batumi in die eigene Tasche. Von den Einnahmen, behauptet Tiflis, unterhalte der Fürst eine Privatarmee, die vor allem politische Gegner mundtot mache. Nach einer von Tiflis verhängten Blockade zu Wasser und zu Lande lenkte der Adschare unlängst ein. Auch Tiflis sollte Beamte an der Grenze postieren dürfen. Inzwischen hat er sich es anders überlegt, heißt es. Abaschidse hat mächtige Freunde in Moskau. KLAUS-HELGE DONATH