Mit Sicherheit Unsicherheit

Arabiata: Wie sich die Amerikaner in Jordanien zu tarnen versuchen

Fehlte bloß noch, dass sie demnächst T-Shirts tragen mit der Aufschrift „Hedef“ – „Ziel“

Seit Wochen befindet sich das Königreich Jordanien im Alarmzustand – wegen „drohender Bombenanschläge“: Der Sitz des Premierministers ist mit maschinengewehrbestückten Panzerfahrzeugen gesichert. Bei Gottesdiensten mischen sich unter die Gläubigen – in Moscheen und Kirchen – mehr denn je Geheimdienstagenten. Und an allen größeren Straßenkreuzungen der Hauptstadt Amman wurden Kontrollposten errichtet. In Stichproben werden Autofahrer zur Durchsuchung der Fahrzeuge herausgewunken.

Dabei sind Sicherheitsvorkehrungen in Jordanien nichts Neues. Der Geheimdienst ist allgegenwärtig, Militärs und Polizei führen schon seit Jahren an markanten Punkten Kontrollen durch. Ja, das System ist so ausgeklügelt, dass manchmal die Sicherheit zur Unsicherheit wird.

Viele Ausländer beispielsweise sind daran zu erkennen, dass sie Autos mit Ausländernummernschildern fahren. Während die von Jordaniern weiß sind, sind die der Nicht-Jordanier gelb, jedenfalls wenn sie für private Unternehmen arbeiten. Die Fahrzeuge von Botschaftsangehörigen sind gelb und weiß. Taxis und Leihwagen haben grüne Nummernschilder, Dienstwagen von Behörden blaue und die von den Sicherheitsdiensten rote …

Den Amerikanern in Jordanien wurde das irgendwann zu bunt. Sie kamen mit den Behörden überein, dass sie ebenfalls weiße Schilder benutzen dürfen – damit sie von US-Hassern nicht als Ausländer erkannt würden.

Waren anfangs manch andere Ausländer noch eifersüchtig auf dieses Privileg, ist der Neid längst verblasst: Heute weiß jeder in Jordanien, dass hochgewachsene, blonde Menschen in großen Autos neueren Baujahrs US-Amerikaner sind, wenn die Nummernschilder weiß sind. Wer sicher sein will, setzt auf die „alten“ Schilder; nur US-Amerikaner versuchen sich zu tarnen.

Zu Hause gelingt ihnen das nicht. Seit mehr als einem Jahr auch sind vor Häusern, in denen US-Bürger wohnen, jordanische Aufpasser postiert. In kleinen Wachhäuschen. Am Tag und bei Nacht – und dann mit Beleuchtung. Und jeder in Jordanien weiß, dass das so ist. Ein perfekter Service für Attentäter. Die müssen auf diese Weise nicht umständlich Opfer suchen, die Wachmänner weisen ihnen als lebende Hinweisschilder den Weg. Fehlte bloß noch, dass sie demnächst T-Shirts tragen mit der Aufschrift „Hedef“ – „Ziel“.

Angesichts derartiger Vorkehrungen verdient jener wachhabende Soldat, der dereinst bei einer öffentlichen Veranstaltung Dienst schob, einen Orden „für besonders realistische Einschätzung der Gefahrensituation“: Der Soldat stand am Eingang direkt neben einem Metalldetektor, durch den alle Gäste hindurchgeschleust wurden. Prompt schlug der Apparat an, weil ein Radioreporter ein größeres Schweizer-Allzweckmesser bei sich trug. Der Soldat wollte es ihm „aus Sicherheitsgründen“ abnehmen. Der Reporter wollte das nicht akzeptieren – mit dem Hinweis, das Schweizer Messer sei sein Werkzeug, er brauche es zum Aufbau einer Antenne, für die vielen Kabel … „Nein“, erklärte der Soldat, „die Anweisungen sind klar, das Messer muss hier bleiben.“ Daraufhin fragte ihn der Reporter, ob er, der Soldat, denn allen Ernstes annähme, dass er mit seinem Messerchen jemanden umbringen wolle? Wenn er plante, jemanden zu töten, würde er das doch ganz anders erledigen. „Wie denn?“, entgegnete der Soldat weniger empört als von professioneller Neugier getrieben. „Na, mit einem Kabel, zum Beispiel“, legte ihm der Reporter sachlich dar, „oder mit einer Plastiktüte.“

Danach durfte er passieren – mitsamt seinem Mordbesteck: Taschenmesser, Kabel und Plastiktüte. BJÖRN BLASCHKE