Mexikanischer Denkzettel für Fox

Bei den Parlamentswahlen in Mexiko kann die vor drei Jahren abgeschriebene PRI ein halbes Comeback feiern. Die konservative Partei des Präsidenten Vicente Fox verliert weitere Mandate, die linkssozialdemokratische PRD gewinnt hinzu

Die Wende-Euphorie ist der Enttäuschung über Kungelei und Blockaden gewichen

von ANNE HUFFSCHMID

Die Bremse bleibt angezogen: bei den ersten Parlamentswahlen nach dem historischen Machtwechsel in Mexiko vor drei Jahren machen die Wähler ihrer Wende-Regierung das Regieren noch schwerer als bisher. So büßte die rechtsliberale Regierungspartei der Nationalen Aktion (PAN), die mit dem Slogan „lös die Bremse von der Wende“ für eine Mehrheit im Parlament geworben hatte, am Wahlsonntag fast ein Viertel ihrer Mandate ein. Den letzten Hochrechungen zufolge wird die PAN nur noch um die 150 der insgesamt 500 Sitze im Parlament besetzen – mindestens 70 weniger als die ehemalige Staatspartei der Institutionalisierten Revolution (PRI).

Schon in der letzten Legislaturperiode musste die Partei des konservativen Präsidenten Vicente Fox ohne eigene Mehrheit und gegen den Widerstand der mächtigen PRI-Fraktion regieren. Im neuen Parlament sind die Institutionalisierten Revolutionäre mit 222 bis 227 Mandaten nun zur stärksten Fraktion geworden. Noch vor Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen lobte PRI-Chef Roberto Madrazo, der als Hardliner des alten Establishments gilt, seine Partei siegesgewiss als „wichtigste politische Kraft“ im Lande.

Doch das allseits gefüchtete Total-Comeback der alten Garden blieb aus: die absolute Mehrheit, die die PRI schon 1997 verloren hatte, konnte sie auch am Sonntag nicht wieder gewinnen.

Zum bloßen Rückwärtsgang sind die Wahlen zur Halbzeit des postautoritären Mexiko also nicht geworden. Das zeigt auch das Vorpreschen der linkssozialdemokratischen Partei der Demokratischen Revolution (PRD), die ihre Parlamentssitze am Sonntag auf fast 100 verdoppelte. In der Hauptstadt – die schon seit 1997 von der PRD regiert wird – stellt die Linke in 14 von 16 Distrikten den Bezirksbürgermeister und gewann 35 von 40 Wahlbezirken. Die PRI hingegen brachte keinen ihrer Direktkandidaten durch. Die Chancen für den populären Oberbürgermeister von Mexiko-Stadt Andres Manuel López Obrador als Präsidentschaftskandidat für 2006 dürften am Sonntag deutlich gestiegen sein.

Am deutlichsten fiel jedoch das Votum derjenigen aus, die offenbar keinerlei Vertrauen in ihre Abgeordneten haben. Knapp 40 der 65 Millionen Wahlberechtigten waren am Wahlsonntag zu Hause geblieben. So ist die anfängliche Wende-Euphorie einer flächendeckenden „Enttäuschung“ über parlamentarische Kungelei und Blockaden gewichen, wie der Politologe Lorenzo Meyer konstatiert. Zwar appellierte Präsident Fox am Sonntagabend an die Oppositionsparteien, nun habe „die Stunde der Kooperation“ geschlagen. Doch die Aussichten darauf sind alles andere als günstig. Schon in den ersten beiden Amtsjahren sind alle Gesetzesinitiativen des Wirtschaftsliberalen im Kongress an PRI und PRD gescheitert. Nicht immer sind es jedoch die Mehrheitsverhältnisse, die echte Reformen verhindern: ein Gesetzesentwurf über Rechte der indigenen Völker, der eine Befriedung des so genannten Chiapas-Konflikts ermöglicht hätte, wurde im Parlament bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt – und zwar durch alle Fraktionen.

Vor allem aber ist das Wahlergebnis ein Denkzettel für Fox’ Realitätsblindheit in Sachen Wirtschaft. Hatte er bei seinem Antritt noch 7 Prozent Wachstum und jährlich eine Million neuer Jobs versprochen, so wuchs das Inlandsprodukt seither um gerade 0,7 Prozent, mehrere hunderttausend Arbeitsplätze gingen verloren. Sein Selbstbild aber ist unberührt. Auf die Frage von Reportern, welche Fehler ihm bislang unterlaufen seien, antwortete Fox noch letzte Woche fröhlich: „Keine.“