Abgang durch die Hintertür

Ob Friedman als TV-Moderator vom Hessischen Rundfunk seine „zweite Chance“ bekommt, blieb zunächst unklar

aus Frankfurt am Main HEIDE PLATEN

Kein einziges Haar war gestern Vormittag von der Hauptperson zu sehen. Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Politiker und TV-Moderator Michel Friedman, verschwand gänzlich hinter der Wand von Scheinwerfern und Kameras. Er hatte in die Frankfurter Kanzlei seines Rechtsanwaltes Eckart C. Hild eingeladen, um „sein Schweigen zu brechen“.

Das tat er dann mit bewegter Stimme, versicherte den dicht gedrängten Repräsentanten der Öffentlichkeit „von ganzem Herzen“ sein tiefes Bedauern, entschuldigte sich mehrfach für seinen Kokainkonsum und auch dafür, dass er bisher dazu nicht Stellung bezogen habe. Gleichzeitig legte er alle öffentlichen Ämter nieder. Zu den nur moralisch relevanten Vorwürfen, sich außerdem zur Entspannung mehrfach osteuropäische Prostituierte direkt vom Menschenhändler aufs Hotelzimmer bestellt zu haben, äußerte er sich in seiner Erklärung nicht. Fragen, so Rechtsanwalt Hild, werde sein Mandant nicht beantworten. Friedmans Zeit war um, nachdem er Freunde ebenso wie eine diffuse Allgemeinheit um eine „zweite Chance“ gebeten hatte. Der Moderator trat durch den Hinterausgang ab.

Sein Rechtsbeistand Eckart C. Hild, Mitglied der internationalen Anwaltskanzlei Jones Day, teilte mit, dass das Ermittlungsverfahren gegen Friedman wegen Drogenbesitzes mit einem Strafbefehl abgeschlossen und dieser Teil der Affäre damit beendet sei: „Ich habe meinen Job erledigt, heute und hier.“ Seine Tätigkeit endete mit einem juristischen Kompromiss, den er mit der Berliner Staatsanwaltschaft ausgehandelt hatte: mit einem rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Berlin. Friedman zahlt 150 Tagessätze zu je 116 Euro, insgesamt 17.400 Euro Geldbuße für den Konsum „eines Kokaingemischs“ in zehn Fällen. Die Ermittler hätten bestätigt, dass Friedman den Koks lediglich zur Deckung des Eigenbedarfs besessen und nicht damit gehandelt habe. Mit der relativ hohen Geldstrafe erspart sich Michel Friedman nun zwar ein öffentliches Gerichtsverfahren, gilt aber für die Justiz als vorbestraft.

Zuvor hatte Karl Herold, Chef der Kanzlei Jones Day, Asche auf sein Haupt gestreut. Sein Büro sei zwar „eine von den weltgrößten Kanzleien“, habe aber dennoch eine „Panne“ zu verantworten. Es hatte den fortlaufenden Skandalmeldungen über Friedmans Kokainkonsum und Partylife letzte Woche eine weitere hinzugefügt. Ein fünfseitiges, den Fall bewertendes Fax der Berliner Staatsanwaltschaft war versehentlich von einer Sekretärin an einen Pizzabäcker statt an einen Coverteidiger versandt worden. Es landete prompt in einer Boulevardzeitung. Herold lobte „Dr. Friedman“ für dessen Verständnis, das bei ihm „große Bewunderung für den Menschen Friedman ausgelöst“ habe. Hild kommentierte die Nachsicht des gelernten Juristen Friedman drastischer. Auch der wisse: „Shit happens“.

Hild stellte sich gestern ausdrücklich vor die Berliner Staatsanwaltschaft, die keine Hetzkampagne gegen Friedman geführt, sondern „handwerklich sauber und akkurat“ gearbeitet und ihn nicht anders als andere Beschuldigte auch behandelt habe. Man habe gemeinsam „eine Einigung gesucht und gefunden“. Auch die Frankfurter Pressekonferenz sei in Absprache mit der Ermittlungsbehörde vorbereitet worden. Er kritisierte allerdings den Sprecher der Berliner Justizbehörden, Björn Retzlaff, der mit seinen Presseinformationen über Ermittlungen gegen Zuhälter und den daraus resultierenden Fall Friedman unabhängig von der Staatsanwaltschaft gehandelt habe. Hild: „Es ist unvertretbar, jedes Detail aus laufenden Verfahren vorab zu veröffentlichen.“ Er selbst habe seinen Mandanten zwar zur Offensive und zu einem Strafprozess geraten und sich dabei „gute Chancen ausgerechnet“. Friedman aber habe keine „weitere öffentliche Hinrichtung“ gewollt.

Ob Friedman, hoch gestiegen, tief gefallen und in der Publikumsgunst immer umstritten, als TV-Moderator die von ihm erbetene „zweite Chance“ bekommt, war gestern noch unsicher. Der Intendant des Hessischen Rundfunks, Helmut Reitze, nahm Friedmans eigene Argumentation auf. Der Mann brauche jetzt „Ruhe, Distanz und Zeit zum Nachdenken“. Zwar sei das juristische Verfahren gegen ihn abgeschlossen, aber Friedman müsse sich nun auch „selbst zu dem Vorgang äußern“. Das aber sei „erst zum Teil geschehen“. Demnächst stehe ihm noch ein „vertrauliches Gespräch“ mit dem Sender bevor.

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