Empörung über deutsche Leugnung des Genozids

Namibias Herero kritisieren Bundestagsbeschluss zum 100. Jahrestag des deutschen Völkermords. Oberhäuptling Riruako warnt vor neuer Feindseligkeit. Namibias Außenministerium verweigert jede Stellungnahme

WINDHOEK taz ■ Auf heftige Ablehnung ist in Namibia die Bundestagsresolution vom 17. Juni zum Kolonialkrieg im damaligen Deutsch-Südwestafrika gestoßen, in der weder von Völkermord noch von Schuld gesprochen wird. Der Oberhäuptling der Herero, Kuaima Riruako, erklärte gestern gegenüber der taz, er könne sich nicht damit einverstanden erklären, dass der Vernichtungsbefehl General Lothar von Trothas und der Völkermord in der Bundestagsresolution übergangen würden.

„Das schafft neue Feindseligkeit,“ warnte Riruako. Deutschland könne nicht ignorieren, dass „keine andere Kolonialmacht so etwas in Afrika getan hat“. Man müsse durch Dialog zu einer Lösung kommen, die den Menschen etwas Greifbares biete, sagte der Häuptling.

Namibias größte Oppositionspartei, der „Congress of Democrats“ (CoD) beklagte die „zynische Art, in der die deutsche Regierung sich aus der historischen Verantwortung zu stehlen versucht“. Als Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs täte die Bundesrepublik gut daran, „die Schuld für den Völkermord an den Herero und Nama zwischen 1904 und 1907 voll anzuerkennen“, erklärte Parteiführer Ben Ulenga. Die deutsche Regierung sollte mit allen namibischen Einrichtungen und Instanzen einschließlich politischer Parteien und Gemeinschaften zusammenarbeiten, „um Versöhnung und die Wiederherstellung der Würde unter Namibiern zu gewährleisten“.

Schockiert zeigte sich auch die „Demokratische Turnhallen-Allianz“, Namibias zweitgrößte Oppositionspartei. Ihr Vorstandsmitglied Rudolph Kamburona meinte, wenn die deutschen Konzentrationslager im damaligen Deutsch-Südwestafrika heruntergespielt würden, lasse das vermuten, „dass wir es mit gedankenlosen Menschen zu tun haben“. Aber die Herero würden sich, auch wenn das deutsche Parlament den Vernichtungsbefehl gegen die hererosprachige Bevölkerung herunterzuspielen versuche, nicht zum Schweigen bringen lassen.

„Alle Hererogruppen werden sich weiterhin einsetzen und Wiedergutmachung fordern, um die Hererokultur wieder aufzubauen und neu zu beleben“, sagte Kamburona. Er appellierte an „friedliebende Deutsche“, auf ihre Regierung einzuwirken, die Frage der Wiedergutmachung „in reifer und ordentlicher Weise mit allen Hererogruppen“ zu behandeln. Das namibische Außenministerium verweigerte dagegen trotz einer Anfrage der taz jeden Kommentar zur Bundestagserklärung.

In Berlin forderten gestern die Gesellschaft für bedrohte Völker und der Global Afrikan Congress mit einer Mahnwache vor der Neuen Wache, dass dort in der „Zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland“ auch des Völkermords an den 75.000 Herero und Nama gedacht werden sollte. Deutschland solle die Kolonialverbrechen nicht länger tabuisieren und mit einer Gedenktafel an die Opfer des Genozids erinnern. Die Organisationen forderten Außenminister Joschka Fischer auf, sich nach dem Scheitern ihrer Schadenersatzklagen bei den Herero offiziell zu entschuldigen. ROLF-HENNING HINTZE