Die Diktatur soll abtauchen

In den Malediven kündigt der Diktator des als Tauchparadies bekannten Archipels eine politische Öffnung an. Oppositionspolitiker reagieren mit großem Misstrauen

DELHI taz ■ Der maledivische Präsident Maumoon Abdul Gayoom hat eine politische Öffnung des Landes angekündigt. Die Verfassung, so kündigte er bereits am 10. Juni in der Hauptstadt Malé ab, soll so geändert werden, dass ein Präsident künftig nur zwei Amtsperioden lang regieren darf. Dessen Vorrecht, 8 der 50 Abgeordneten selbst zu ernennen, soll abgeschafft werden, legislative und exekutive Funktionen würden getrennt, ein Premierministerpostem werde eingeführt. Politische Parteien seien fortan zugelassen und die Verbandsfreiheit werde garantiert.

Die Ankündigung löste in diplomatischen Kreisen in Sri Lankas Hauptstadt Colombo, wo die meisten akkreditierten Botschafter für die Malediven residieren, Überraschung aus. Gayoom gilt als einer der stillsten, aber auch wirkungsvollsten Diktatoren Asiens. Der 64-Jährige ließ sich 2003 zum sechsten Mal zum Präsidenten des Landes küren, das er seit 1978 regiert.

Beobachter rätseln über Gayooms Motive, dem es gelang, die geografische Isolation des Landes – die Atolle liegen 700 Kilometer westlich von Sri Lanka im Indischen Ozean und sind über 800 Kilometer Länge verstreut – zur politischen Abschottung zu nutzen. Kurz vor der Präsidentschaftswahl im letzten Oktober kam es in Malé allerdings erstmals zu Unruhen. Ihnen ging eine Revolte auf der Gefängnisinsel Maafushi voraus, nachdem Gayoom seine Kandidatur für eine neue Amtszeit verkündet hatte. Drei Häftlinge starben, zahlreiche wurden verletzt.

Amnesty international erklärte damals, die Revolte sei von den vielen politischen Gefangenen ausgegangen, die routinemäßig gefoltert würden. Die Unruhen griffen auf Malé über und wurden von der Armee sofort niedergeschlagen, gefolgt von einer Verhaftungswelle. Beobachter fragen sich, ob der kürzliche US-Folterskandal in Irak Gayoom nun veranlasst hat, mit einer politischen Öffnung seine sechste Amtszeit noch zu beenden und die seines Clans abzusichern.

Oppositionelle Politiker, die allesamt im Exil leben, reagieren skeptisch. Mohammed Latheef, Chef der Maledivischen Demokratischen Partei, drückte in Colombo gegenüber Reuters sein Erstaunen über den plötzliche Sinneswandel seines Exfreundes aus. Er begrüße das, doch sei Gayoom nicht zu trauen.

Latheef verweist darauf, dass die existierende Verfassung bereits zahlreiche Grundrechte garantiere. Dennoch würden Bürger verhaftet und landeten ohne Anklage oder Urteil in Maafushi, wo sie gefoltert würden. Die Verfassung erlaube auch die Bildung politischer Parteien. Doch den letzten Wahlkampf habe Latheef von Colombo aus führen müssen. Parteimitglieder seien verhaftet worden, als sie Wahlbroschüren verteilten. Das Ganze sei ein Manöver, um die internationale Gebergemeinschaft zu beeindrucken.

Der politische Druck aus dem Ausland war bisher gering. Die südasiatischen Länder werden von ihren eigenen Problemen absorbiert, die demokratische Schutzmacht Indien schließt realpolitisch beide Augen, um den moderaten islamischen Staat nicht in Pakistans Arme zu treiben. Auch für die Großmächte ist die Stabilität auf dem strategisch gelegenen Archipel wichtiger als die Menschenrechte. Ein Grund für Gayooms lange Herrschaft ist zudem die Koppelung politischer Unterdrückung mit wirtschaftlichem Wohlstand. 74 der 1.200 Inseln wurden exklusiv für westliche Touristen eingerichtet. Der Tourismus bringt den 300.000 Maledivern ein Pro-Kopf-Einkommen von 2.170 Dollar – das höchste Südasiens.

BERNARD IMHASLY