Barbecue – light gemacht

Reformagenda 20/03 – Teil 5: Die Bratwurst hat zwar geschmeckt. Die Kohle aber glüht weiter und verschleudert Energie. Sind die Deutschen Umweltsünder? Nein: Sie grillen ziemlich nachhaltig

von THOMAS WINKLER

Es gibt viele verschiedene Methoden, totes Tier in einen verdaulichen Zustand zu versetzen. Eine der beliebtesten ist seit (in diesem Fall mal im wahrsten Sinne des Wortes) Urzeiten das Grillen. Doch während unsere Vorfahren auf die Feuerstelle angewiesen waren, hat der postmoderne Homo sapiens allerlei Varianten entwickelt, seine Beute, ob gejagt in offener Wildbahn oder erlegt im Supermarkt, mit einer schmackhaften Rußschicht zu überziehen. Es gibt den klassischen Holzkohlegrill, es gibt Elektro- und Gasgrills und welche mit Vulkangestein. Man kann das Grillgut von unten oder von der Seite traktieren. Viele ertränken die Holzkohle in flüssigem Anzünder, andere legen nur einen Schalter am Elektrogrill um. Die einen bewedeln mit einer Pappe die Glut, andere arbeiten mit der Campingpumpe und immer mehr holen den Föhn aus dem Badezimmer. Die neueste Generation an Säulengrills erledigt das Anfeuern per Kamineffekt sogar höchstselbst.

Es gibt aber auch ganz Findige, die sparen sich den Grillanzünder und bearbeiten die Holzkohle sofort mit den 1.500 Watt eines Heißluftföhns aus dem Baumarkt, der sonst zur Lackentfernung dient. Nach wenigen Minuten ist die Kohle ohne nennenswerte Rauchentwicklung vollständig durchgeglüht. Alles ist möglich, wenn nur der Sommer heiß genug ist und den deutschen Mann in Garten, Hinterhof oder auf den Balkon treibt, um dort den Steinzeitmenschen in sich wiederzubeleben. Eines aber ist sicher: Nachhaltig ist sie nicht, die Nummer mit dem Heißluftföhn.

Was aber ist das: nachhaltiges Grillen? Verhält sich schon umweltbewusst, wer Biobratwürste kauft und Tofugriller oder noch besser, wie es Frauenzeitschriften und Vegetariererverbände in seltener Eintracht bewerben, Gemüse auf den Rost legt? Elektrogrill oder Holzkohle, was hat die bessere Ökobilanz? Und warum gibt es keine Bioholzkohle?

„Holzkohle ist nun mal per se bereits bio“, erklärt Dr. Eckhard Willing vom Umweltbundesamt in Berlin, „weil sie aus Biomasse hergestellt wird.“ Das DIN-Prüf- und Überwachungszeichen (DIN PÜZ) garantiert, dass die Kohle aus unbehandeltem Holz geköhlert wurde und nichts Artfremdes wie Pech beigemengt ist, versichert das Umweltbundesamt.

Nahezu jede Holzkohle ist also bio. „Die Frage aber ist“, so Willing, „ob sie auch öko ist“. Und muss diese Frage auch gleich verneinen. Nicht nur entstehen bei der Herstellung der Holzkohle ungesunde Emissionen, die in Luft und Grundwasser landen, sondern vor allem der Holzverbrauch ist bedenklich – allerdings vornehmlich in südlichen Ländern, in denen Grillen geradezu religiös betrieben wird. Ob der Elektrogrill aber eine grundsätzlich bessere Ökobilanz aufweist, hängt vor allem davon ab, wie der Strom in die heimische Steckdose gekommen ist. Noch fehlt eine grundsätzliche Studie, die die Ökobilanzen der verschiedenen Grillvarianten gegenüberstellt.

Liegt das Lebensmittel erst einmal auf dem Rost, mag sich der Nachbar noch an der Geruchsentwicklung stören, hält sich aber die Umweltbelastung in Grenzen. Die „entstehenden Rauchschwaden“, so versichert das Umweltbundesamt, bedeuten „selbst für Personen dicht am Grill kein allzu großes Risiko“. Auch die Schadstoffe im verbrannten Fleisch sind eher gering, jedenfalls solange kein Fett in die Glut tropft, denn dann entstehen die mittlerweile berüchtigten polyzklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAH), die auch in Teer vorkommen, und andere Krebserreger. Das Umweltbundesamt empfiehlt deshalb, um sich das „Freizeitvergnügen mit Nebenwirkungen“ nicht verderben zu lassen, einen Vertikalgrill, in dem das Grillgut seitlich beheizt wird.

Raubbau am Wald oder flächendeckende Vergiftung der Bevölkerung sind also hierzulande nicht zu befürchten, und zumeist zieht auch nur ein angenehmer Duft durch Kleingartenkolonien und Eigenheimsiedlungen. Die negativen Seiten der urzeitlichen Speisezubereitung fallen nicht wesentlich ins Gewicht, „weil Deutschland, was Grillen angeht, doch nur Laienspieltheater ist“, so Willing. In der aktuellen „Grill-Studie 2003“ des Ketchup-Fabrikanten Kraft outete sich zwar nur jeder zehnte Bundesbürger als Grillgegner, aber im Vergleich zu anderen Ländern sind die Deutschen nur Amateure, konnte Willing in einem Urlaub in Griechenland feststellen: „Dort versinken ganze Dörfer in den Schwaden.“