Der ganz große Fisch im Netz fehlt den Ermittlern noch

Die Festnahme von Holger Pfahls bedeutet für die Justiz in Augsburg einen großen Schritt nach vorn, doch die Schlüsselfigur Karlheinz Schreiber bleibt für sie unerreichbar

AUGSBURG taz ■ So zufrieden hat man den meist grimmig dreinblickenden Chef der Augsburger Staatsanwaltschaft selten gesehen. Die Festnahme von Holger Pfahls in Paris ist ein Höhepunkt für Reinhard Nemetz. Schon die vergangenen Tage war dem Leitenden Oberstaatsanwalt, der immer häufiger dem Strauß-Prozess als Zuhörer folgte, anzumerken, dass etwas im Gange ist. Doch auf die wiederholte Nachfrage, ob denn Holger Pfahls schon gefasst sei oder kurz vor der Festnahme stehe, wiegelte der Chefermittler immer wieder ab: Es gebe derzeit nichts Berichtenswertes.

Seit aber die Zielfahnder des Bundeskriminalamtes ihre fünfjährige Weltreise auf den Spuren von Holger Pfahls in Paris beenden konnten, hellen sich die Mienen in Augsburg auf. Die Staatsanwaltschaft hofft, ebenso wie die 10. Große Wirtschaftsstrafkammer, auf eine baldige Auslieferung des Vielgesuchten.

Die Festnahme und die intensiv betriebene Auslieferung werden erhebliche Auswirkungen für die Augsburger Juristen haben, die nach Jahren der Ermittlungen im Fall Schreiber unbedingt Erfolge vorweisen wollen. Vielfach wird erwartet, dass das für heute angekündigte Urteil im Verfahren Max Strauß wegen der Pfahls-Festnahme verschoben wird.

Die Strafkammer unter Vorsitz von Richter Maximilian Hofmeister hat reihenweise Zeugen aufmarschieren lassen – darunter so illustre Persönlichkeiten wie den Lobbyisten Dieter Holzer, Erich Riedl und Walther Leisler Kiep, aber auch den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber und drei seiner Minister. Ob von Pfahls noch sonderlich viel Erhellendes im anliegenden Verfahren Strauß zu erwarten ist, darf bezweifelt werden. Denn dass Strauß jun. wie auch Pfahls in die „Fuchs“-Spürpanzer-Affäre verwickelt seien, ist eben nur ein Teil der Vorwürfe gegen den Sohn des früheren Ministerpräsidenten. Eine mögliche Aussetzung des Urteils wird stark von den Argumenten und Beweisanträgen unmittelbar vor dem Urteilsspruch abhängen.

Die Richter und Staatsanwälte in Augsburg erwarten vielmehr ein weiteres Verfahren im gesamten Schreiber-Komplex, in dem zwei Ex-Thyssen-Manager schon zu Haftstrafen verurteilt worden sind. Und strafrechtlich ist von den Aussagen des Ex-Verteidigungsstaatssekretärs mehr zu erwarten als für die politische Ebene. Zwar wurden bereits Stimmen laut – von Christian Ströbele vor allem –, den Untersuchungsausschuss zur CDU-Spendenaffäre wieder aufleben zu lassen. Aber noch stehen die Grünen etwas alleine da. Die SPD zieht noch nicht so recht, und FDP und Union wollen erwartungsgemäß die Frage nach der Bestechlichkeit der Kohl-Regierung nicht erneut aufwärmen lassen.

Viel wird davon abhängen, ob Pfahls aussagen will. Nach Überzeugen der Ermittler hat er bei einem Dreieckswaffengeschäft im Jahre 1991 den Vermittler gespielt. Saudi-Arabien wollte damals, während des zweiten Golfkriegs, unbedingt „Fuchs“-Spürpanzer. Außenminister Hans-Dietrich Genscher und andere lehnten das ab, zudem konnte der Hersteller Thyssen-Henschel nicht so schnell liefern. Da nun trat der Staatssekretär Holger Pfahls auf den Plan und sorgte dafür, dass die Spürpanzer von der Bundeswehr abgezogen und an die Saudis geliefert wurden. Später sollten dann von Thyssen fabrikneue „Fuchs“-Panzer zurück an die Bundeswehr geliefert werden.

Nun fehlt freilich selbst dann, wenn Pfahls bald ausgeliefert werden sollte, die eigentliche Schlüsselfigur im ganzen großen Vermittlerspiel, nämlich der in Kanada lebende Rüstungslobbyist Karlheinz Schreiber. Der wehrt sich vehement gegen seine Auslieferung und er sagte der taz schon nach Bekanntwerden der ganzen Pfahls-Vorwürfe, dass er diese überhaupt nicht nachvollziehen könne. Wieso sollte man einen Staatssekretär in dieser Vermittlungsfrage bemühen und ihn mit Millionen bestechen, so Schreiber, wenn doch der Verteidigungsminister Stoltenberg dafür war? Für Politik und Justiz bleiben spannende Fragen.

Und da beginnt das ganze Dilemma der politischen und juristischen Aufklärung wieder von vorne: Solange die Hauptfigur Karlheinz Schreiber nicht aussagt und in Kanada sitzt, können U-Ausschüsse und Gerichte viel verhandeln. Die erhofften Antworten wird es jedoch nicht geben. KLAUS WITTMANN