■ Gewerbesteuer für FreiberuflerInnen?
: Kleine Durchwurstler angezapft

betr.: „Gemeindefinanzen: Eine richtige Reform sieht anders aus: Minimale Fortschritte“, Kommentar von Hannes Koch, „Grüne zweifeln an Eichels Zusage“ u. a., taz vom 6. 8. 03, „Städte protestieren im Saal“, taz vom 9. 8. 03

Perfide an der anvisierten Regelung ist nicht allein, dass Städte und Kommunen an die Großen beim Eintreiben der Gewerbesteuer längst nicht mehr herankommen – da erpresst vor nicht allzu langer Zeit ein Großkonzern ganz locker eine Stadt, deren Autokennzeichen LU lautet –, sondern dass der Staat jenes stetig anwachsende Heer kleiner Durchwurstler nochmals anzapft, das in der ohnehin verheerenden Arbeitslosenstatistik doch nur deswegen nicht mehr auftaucht, weil es sich unterhalb jeglicher Sicherung an Auftraggeber verkaufen muss. Und die drücken ganz gnadenlos die Freimarktpreise. Das geht auch leicht: Wenn sich das bedeutungsschwangere Schweigen am anderen Ende von Telefon, Fax oder Mail ausbreitet. Wer sich der Mühe unterzieht, jene Leute zu befragen, die etwa vom Artikelschreiben oder von Verlagsarbeiten satt werden müssen, der wird leicht erfahren, wie verlogen der angeblich beweisende Fingerzeig auf Provisionen scheffelnde Rechtsanwaltskanzleien in Wirklichkeit ist.

Was soll ein Akademiker machen, nachdem der universitäre Mittelbau totgespart ist? Das Arbeitsamt hat für ihn lediglich ein müdes Achselzucken übrig. Also gründet er notgedrungen das, was jetzt neudeutsch eine Ich-AG heißt und nach Hartz nunmehr tagtäglich angepriesen wird. […] Sie dürfen froh und dankbar sein, wenn übers Jahr genügend Auftraggeber zusammenkommen. Dafür sind sie bereit, sich bis zur Selbstverleugnung anzudienen, auf Urlaub ganz zu verzichten, das Wochenende nicht mehr zu kennen und die Nacht zum Tage zu machen – in Permanenz. Es ist kein gutes Brot, das der durchschnittliche Freiberufler da kaut! Für’s Wirtschaftsgetriebe waren und sind sie ohnehin die nützlichen Idioten, für den Staat nun endgültig auch. Das Wenige, das dem kleinen Freiberufler vielleicht die vorgezogene Steuerreform belassen hätte, holt sich der Staat mindestens wieder herein. Wieso ist man eigentlich so bescheuert und strampelt sich ab? Wofür eigentlich? NORBERT WINKLER, Mannheim

Es kann nicht oft genug betont werden, dass die Gewerbesteuer eine Strafsteuer für die ist, die etwas unternehmen, die ihr Kapital und ihre Arbeitskraft investieren, damit sich überhaupt etwas regt. Bei den Beamtenheeren, die bis an ihr seliges Ende rundum versorgt sind, Arbeitslosigkeit nicht zu fürchten brauchen, ein Kapitalrisiko nicht kennen, die außer Einkommensteuer nichts bis wenig zum so genannten Sozialstaat beitragen – dazu zählen auch die Politiker aller Parteien – da wäre eher ein Beitrag einzufordern, aber dazu wird es kaum kommen, denn Verwaltung, Politik und Justiz profitieren von dieser Schieflage sozialer Gerechtigkeit. HERBERT HUMMEL, Blaubeuren

Gewerbesteuer muss sein! Die jetzigen Ausfälle sind jedoch durch eine handwerklich miserable Steuerreform der Regierung Schröder aus der ersten Legislaturperiode verursacht! Die Gesetzgebung war Pfusch! In München gibt es sieben DAX-notierte Unternehmen, von denen keines mehr Gewerbesteuer zahlt! Ein echter Skandal. Jetzt versucht man den Sozialneid auszunutzen und die angeblich so gut verdienenden Freiberufler zu schröpfen. Die Regierung soll doch erst mal ihre alten Fehler ausbügeln! […]

CHRISTIAN ESCHRICH, München

Es gibt kein vernünftiges Argument, warum die Betreiberin eines Blumenladens Gewerbesteuer zahlen soll, die Arztpraxis nebenan aber nicht. Das ist aber kein Grund, die Gewerbesteuer auszuweiten, sondern spricht für ihre Abschaffung.

Der internationale Wettbewerb um niedrige Steuern auf Unternehmensgewinne hat uns die Körperschaftssteuerreform 2000 beschert. In der Folge sanken die Einnahmen aus dieser Steuer von 23,6 Milliarden Euro im Jahre 2000 auf minus 0,4 Milliarden Euro (2001) und 2,9 Milliarden Euro (2002). Im 1. Halbjahr 2003 lagen die Einnahmen bei 3,9 Milliarden, so dass für 2003 mit ca. 8 Milliarden zu rechnen ist. Insgesamt haben die deutschen Kapitalgesellschaften also von 2001 bis 2003 ca. 10,5 Milliarden aus ihren Gewinnen an Körperschaftssteuer abgeführt und damit zum Gemeinwohl beigetragen. […] Im Vergleich zur Körperschaftssteuer war der Rückgang bei der Gewerbesteuer moderat. Die Einnahmen fielen von 27,0 Milliarden im Jahre 2000 über 24,5 (2001) und 23,5 (2002) auf voraussichtlich 23,2 Milliarden (amtliche Steuerschätzung für 2003).

Dennoch trifft das die Gemeinden hart. Insbesondere die Großstädte mit ihrer Mittelpunktfunktion für Bildungs-, Kultur- und Sporteinrichtungen und meist überdurchschnittlichen Ausgaben für Sozialhilfe. Zur Finanzierung haben diese Städte in der Regel hohe Gewerbesteuerhebesätze. Die Folge: Die Umlandgemeinden locken mit niedrigen Sätzen Gewerbebetriebe, Einkaufszentren usw. erfolgreich an. Die Gewerbesteuer sprudelt dort, der Verkehr wächst, die Landschaft wird zersiedelt, den Städten fehlt das Geld. Um gegenzusteuern müssen auch die Großstädte ihre Hebesätze senken; die Steuerspirale für Unternehmen dreht sich weiter nach unten.

Deswegen fordern BDI und FDP den Ersatz der Gewerbesteuer durch einen gemeindeabhängigen Zuschlag zur Körperschafts- und Einkommenssteuer. Das bringt eine (sinnvolle) Verwaltungsvereinfachung für Unternehmen und Behörden, sorgt aber für den Erhalt des Wettbewerbs der Gemeinden um die niedrigsten Steuersätze. Statt diesen nationalen Steuerwettbewerb jetzt auf die Freiberufler auszuweiten, sollte es einen einheitlichen Einkommenssteuertarif auf Löhne und Gewinne geben, unabhängig von der Rechtsform der Unternehmen. Der muss sich an der allgemeinen Einkommensteuer orientieren, nicht an den nominal 25 Prozent Körperschaftssteuer. Die Gemeinden müssen daraus einen angemessenen Anteil entsprechend ihrer Größe und ihren Aufgaben erhalten. ULRICH SEDLACZEK, München

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.Die erscheinenden Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.