Gemeinnützige Strafarbeit

Statt – kostspieligem – Knastaufenthalt ein Job als Hilfsbibliothekar oder Hausmeister:Alternative für mittellose Straftäter. Hauptsache, die Beschäftigung dient dem Allgemeinwohl

von SAVINA KOCH

Um seinen Job in der Tages- und Altenpflege Poppenbüttel zu bekommen, hat Aarao Teixeira keine Bewerbung mit Lebenslauf eingereicht. Seinem Arbeitgeber ist sogar bekannt, dass die Vita des Portugiesen dunkle Seiten hat: Er wurde von der Justizbehörde an die Sozialeinrichtung verwiesen, weil er sonst im Gefängnis gelandet wäre. Teixeira hatte eine Geldstrafe nicht bezahlt, die er für das Überfahren einer roten Ampel bekommen hatte. Ersatzweise sollte er die Strafe nun im Gefängnis absitzen. Mit der Aufforderung, die Haft anzutreten, eröffnete der Staatsanwalt Teixeira die Möglichkeit, stattdessen gemeinnützige Arbeit zu leisten.

In der Praxis wird das Verurteilten ohne Vermögen als Ersatz für eine Geldstrafe grundsätzlich angeboten. „Das steht bei der Aufforderung zum Strafantritt drin“, sagt der Sprecher der Justizbehörde, Kai Nitschke. „Das sind Kleinkriminelle, die nicht zahlen können.“ Aus einer Vielzahl von Stellen könnten sie aussuchen, einzige Voraussetzung sei die Gemeinnützigkeit der Beschäftigung. „Ein Studierter bekommt eher einen Job zum Büchersortieren, andere als Hausmeister“, sagt Nitschke.

Durch die geleistete Arbeit von Verurteilten spart die Stadt viel Geld und bürokratischen Aufwand. Ein Tag in Haft kostet den Staat pro Gefangenen rund 90 Euro pro Tag. Im vergangenen Jahr sind nach Angaben der Justizbehörde mehr als 22 350 Hafttage durch die Arbeitsregelung vermieden worden. 820 Verurteilte machten von der Möglichkeit Gebrauch. „Durch die gemeinnützige Arbeit spart Hamburg rund zwei Millionen Euro im Jahr“, freut sich Justizsenator Roger Kusch (CDU). Außerdem wird die Überbelegung der Gefängnisse zumindest etwas abgefedert. Die sind durch das verstärkte Vorgehen gegen Drogendealer in Hamburg ohnehin voll.

Den Straftätern hingegen bleiben mit der Maßnahme alle Nachteile der Haft erspart. Sie können weiter in ihren sozialen Verhältnissen bleiben, ein straffreies Leben wird dadurch erleichtert. Viele haben durch die „Strafarbeit“ auch wieder eine dauerhafte Beschäftigung gefunden. Der vorher Arbeitslose Teixeira ist der Zweite, der in der Tagespflege Poppenbüttel einen festen Job bekommen hat. „Wenn ich das Gefühl habe, die Leute passen hier rein, interessiert uns die Vergangenheit nur bedingt“, sagt Ekkehard Janas, Leiter der Institution.

Herta Däubler-Gmelin (SPD), damals noch Bundesjustizministerin, hatte bereits im Juni 2002 einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, wonach künftig sozial Schwache schon im Gericht zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt werden können. Der Entwurf scheiterte aber an der Verfassung. „In Deutschland ist Zwangsarbeit verboten, daher ist eine Verurteilung zu Arbeit faktisch unmöglich“, sagt Justizsprecher Nitschke.