Palästinenser als Echsenfutter

Arabiata: Jetzt schwimmen verschwörungstheoretische Krokodile im Jordan

AMMAN taz ■ Wahrscheinlich weil sie so wenig Wasser brauchen, blühen, sprießen und wuchern sie nirgends besser als im Nahen Osten: Gerüchte und Verschwörungstheorien. Und weil es so wenig Wasser im Nahen Osten gibt, betreffen viele dieser Gerüchte und Verschwörungstheorien eben das Thema Wasser. Eine überaus feuchte Dialektik.

Seit dem vergangenen Frühjahr heißt es in Jordanien: „Im Jordantal, an den Ufern des biblischen Flusses, leben Krokodile und wachsen heran zu großen Menschenfressern!“ Die Riesenechsen sollen als Babys von einer Kroko-Farm in Israel, unweit der Grenzen zu Syrien und Jordanien, ausgespült worden sein. Das Areal, auf dem die Tiere für die Handtaschen- und Schuhzucht produziert werden, befindet sich unterhalb des See Genezareth, in der Nähe der Mündung des Yarmuk in den Jordan.

Doch genug der geograph-hydrologischen Spezifitäten. Im vergangenen Winter schwollen alle Flüsse in der Region an, weil es verhältnismäßig viel geregnet und im Februar noch mehr geschneit hatte. Die Schneeschmelze sorgte dann für wahre Wassermassen, in dem ja ansonsten nicht so sehr beschwappten Gebiet. Achtung, an dieser Stelle beginnt das Gerücht, obwohl ich nicht in den Konjunktiv wechsele; ich möchte die aufgebaute Spannung wahren! Diese Fluten wälzten sich also quer durch die besagte Krokodilfarm und rissen eine ganze Echsenbrut mit sich. An den Ufern des Jordan fanden die Opfer der Naturgewalt, die kleinen Krokodilkinder, ein neues nasses Zuhause.

Ich wechsele immer noch nicht in den Konjunktiv, obwohl ich jetzt zur Verschwörungstheorie übergehe: Der Jordan ist der Grenzfluss zwischen East- und Westbank; zwischen Transjordanien und dem Westjordanland, das bekanntlich von Palästinensern bewohnt und von Israelis besetzt ist. Verschwörungstheoretisch versierte jordanische Zungen behaupten deshalb, dass die Israelis gezielt ihre Krokodile in den Jordan gepumpt hätten, damit sie in seinen Wassern heranwachsen können. Später, wenn sie einmal groß sind, sollen die Tiere, so die Theorie weiter, Palästinenser, die am Ufer des Jordan promenieren, schnappen und in die Mangroven zerren. Von irgendetwas müssen ja die Krokodile schließlich auch leben.

Vielleicht, das wird in Amman zudem verschwörungstheoretisiert, vielleicht haben die Israelis sogar den vielen Regen und Schnee künstlich hergestellt, um alles wie einen Unfall aussehen zu lassen …

Einige Jordanier sehen derweil dem Wachstum der Krokodile mit Freuden entgegen. Im Jagdgeschäft Nimr in Amman hält man die Kroko-Schwämme zwar für eine „unglaubliche Angelegenheit“, doch putzt man auch dort schon die Flintenläufe – statt Wildschweine im Jordantal wilde Krokodile, eine echte Alternative. Die ersten „Krokokochkataloge“ mit Rezepten zirkulieren bereits in Ammans Cuisines. Zu lesen ist da unter anderem: „Das Fleisch ist für raffinierte Gewürze sehr empfänglich. Vorteilhaft ist das Einlegen der Koteletts oder Steaks in eine Kräuter-Knoblauch-Öl-Marinade. Aber auch Knoblauch, Curry oder süßsaure Saucen passen gut.“

„Croq en Wok“ / in Amman no shock. / Hier gilt: Auf Kroko hoffen / danke, Farm, dass du bist abgesoffen! BJÖRN BLASCHKE