„Rufen Sie in Washington an!“

Arabiata: Wie ein Visum für den Irak bekommen? Eine schier endlose Geschichte

Seit dem 1. Juli 2004 besteht für den Irak wieder eine Visumspflicht

BAGDAD taz ■ Für die, die während der Ära Saddam Hussein in den Irak reisen wollten und nicht in Besitz eines irakischen Passes waren, gab es wohl kaum etwas Schlimmeres als die Frage nach dem Visum. Wer die entsprechenden Anträge erst einmal ausgefüllt hatte, musste wochen-, ja monatelang warten und bei der zuständigen Botschaft täglich, ja stündlich nachfragen.

Nach dem Ende des Krieges im vergangenen Jahr – oder um es mit den Worten von George W. Bush präziser auszudrücken: „Nach dem Ende der Hauptkampfhandlungen“ – wurde es deutlich besser: Irak-Reisende bekamen an der Grenze einen Stempel in den Pass und schon waren sie am Ziel – mehr oder weniger.

Seit dem 1. Juli 2004 nun ist alles anders: Für den Irak besteht wieder eine Visumspflicht. Das ist noch verständlich. Die Folgen allerdings sind es nicht. Weder für die Iraker noch die Irak-Reisenden. Denn heute lautet die Frage, wie bekommen Irak-Reisende überhaupt ein Visum.

Deutsche Geschäftsleute, die trotz der chaotischen Sicherheitssituation Aufträge abwickeln wollen, müssen dreierlei erfüllen: Sie müssen eine Einladung eines irakischen Partners vorlegen, eine Bescheinigung der deutschen Handelskammer und eine spezielle Note des Auswärtigen Amtes in Berlin.

Und welche Visums-Bedingungen bestehen für Journalisten, die beispielsweise in Amman ihr Büro unterhalten? Die irakische Botschaft in Jordanien kann diese Frage nicht beantworten. Ein Anruf hat bloß Frustration zur Folge – auf beiden Seiten der Leitung: „Wenden Sie sich bitte an Bagdad.“ – „Ja, an wen denn da?“ – „An das Informationsministerium.“ Der Einwand, dass die US-Amerikaner nicht nur Saddam, sondern auch seinen Informationsminister und das -ministerium abgeschafft haben, lässt den Botschaftsbeamten die Contenance verlieren: „Dann wenden Sie sich doch an die Amerikaner; die Besatzer. Rufen Sie in Washington an oder bei deren Botschaft hier!“

Der zuständige Mann in der US-Vertretung in Amman weiß indes auch nicht weiter. Für Visa-Regularien seien doch die souveränen Iraker verantwortlich.

Der erste Anruf im Außenministerium der Übergangsregierung bringt fast nichts, bis auf einen gut gemeinten Rat: „Fliegen Sie einfach hierher nach Bagdad. Am Flughafen wird Ihnen sicher jemand ein Visum ausstellen.“

Das Stichwort „Flughafen“ bringt die Idee: Vielleicht weiß die Fluggesellschaft Royal Jordanian mehr; immerhin fliegt sie zweimal täglich die Strecke Amman–Bagdad … – Nein, Visumsfragen könne man nicht beantworten. Aber immerhin: Für rund 1.500 US-Dollar befördert die Gesellschaft Reisewillige von der jordanischen in die irakische Hauptstadt und zurück. Und wenn es mit dem Visum am Flughafen nicht klappe, dann auch noch am selben Tag.

Der zweite Anruf im Auswärtigen Amt in Bagdad erweist sich schließlich als hilfreich: Zwar stünden Journalisten gar nicht auf der Liste derer, die ein Visum für den Irak brauchen, sagt der Protokollchef, doch das heiße im Umkehrschluss noch lange nicht, dass dem auch wirklich so ist. Vielleicht sei diese Berufsgruppe einfach vergessen worden. „Lassen Sie sich ein Schreiben von der deutschen Botschaft ausstellen, und dann gehen Sie damit zur irakischen Botschaft.“

Und tatsächlich: So geht’s. Für eine Gebühr von 40 US-Dollar ist der ersehnte Stempel schließlich nach 24 Stunden im Pass.

Bei der Einreise in den Irak, am Flughafen Bagdad, interessiert sich die Zollbeamtin jedoch überhaupt nicht für den höchst botschaftlichen Sichtvermerk. Den Einreisestempel drückt sie auf eine Seite, die weit entfernt ist von der mit dem begehrten Visum. BJÖRN BLASCHKE