Reichtum bewahren

Bei der Privatisierung der Wasserversorgung, geht es um nichts Geringeres als die Zukunftsfähigkeit eines der wichtigsten europäischen Bürgerrechte

von Roland Schaeffer

Plant der Senat den Verkauf der Hamburger Wasserwerke? Öffentlich rudert er zurück. Aber während der Erste Bürgermeister Verkaufsabsichten dementiert (siehe Kasten), träumt der Aufsichtsratsvorsitzende der Hamburger Wasserwerke, Umweltsenator Michael Freytag, öffentlich von ihrer internationalen Expansion. Sich zusammenschließen, Know-how nutzen und den Weltmarkt aufrollen – vor ein paar Jahren hatten die Fachleute von Deutsche Bank Research den kommunalen Wasserversorgern in Deutschland noch dieses Rezept verordnet, damit künftig auch deutsche Global Player die blauen Milliarden abschöpfen könnten.

Überall in Deutschland werden Wasserunternehmen verkauft, um aktuelle Finanzlöcher in den Kommunalhaushalten zu übertünchen. Die deutschen Wasserwerke haben es zwar auf diesem Weg nicht ins internationale Geschäft geschafft, die damalige Empfehlung hatte aber gleichwohl enorme Auswirkungen: Nach Informationen des Branchendienstes EUWID sind „Private“ – darunter die deutschen Strom-Oligopole E.on, RWE und EnBW – inzwischen an 400 von rund 900 deutschen Stadtwerken beteiligt.

Wasserversorgung ist ein natürliches Monopol. Im Unterschied zu Telekommunikation, Strom oder Gas ist die „Durchleitung“ von Produkten unterschiedlicher Anbieter aus technischen Gründen unmöglich. Der Kunde kann sich seinen Wasserlieferanten nicht aussuchen, es sei denn, mehrere Wasserleitungen würden nebeneinander gebaut. Wasserpreise entstehen deshalb nirgends auf der Welt im Wettbewerb. Sie sind ein Ergebnis natürlicher Bedingungen der Wassergewinnung, der Kosten der verwendeten Infrastruktur und – politischer Entscheidungen. Nach klassisch liberaler Lehre gehören deshalb natürliche Monopole in einer demokratischen Gesellschaft in den Besitz des Staates, also der Kommune. In Deutschland hingegen hat sich in den letzten Jahren allein die E.on-Tochter Thüga 120 Beteiligungen an einstmals öffentlichen Wasserversorgungsunternehmen zusammengekauft. An die Stelle der kommunalen öffentlichen Versorgung ist eine Perlenkette privatisierter oder teilprivatisierter lokaler Monopole getreten.

Die Folgen sind, etwa in Süddeutschland, bisher nur selten konkret spürbar. In den Krisenregionen der Republik allerdings, so zum Beispiel in Berlin, kochen die Konflikte hoch. Der den Privaten vertraglich garantierte Gewinn von rund neun Prozent wird dort durch einen weitgehenden Verzicht auf Investitionen ins Leitungsnetz finanziert. Gute Quellen werden aufgegeben, weil es rentabler erscheint, das Wasser aus wenigen ergiebigen, dafür aber verunreinigten Brunnen zu schöpfen. Grundstücke werden verhökert, an der Umweltvorsorge wird gespart – und die Preise steigen.

Sichtbar wird, dass es um mehr geht als um ein paar Rohre. Können Kommunen noch demokratisch über die Lebensbedingungen ihrer Bürgerinnen und Bürger entscheiden? Zu den wichtigsten Reichtümern Europas gehört die Art, wie wir über das lokale Gemeinwesen entscheiden. Von ihr hängt die öffentliche Infrastruktur ab, die Qualität unserer Daseinsvorsorge. Je weniger individuelle Einkommen staatlich garantiert werden können, je mehr wir mit Armutsrisiken zu kämpfen haben, um so wichtiger wird es sein, diese Infrastruktur zu schützen und zu pflegen. Gutes und bezahlbares Wasser zählt in Deutschland seit hundert Jahren zu den wichtigsten Bürgerrechten. Dass das so bleibt, ist einer der „big points“ unserer Zukunftsfähigkeit.

Der Autor ist Campaigner bei „Unser Wasser Hamburg“, www.unser-wasser-hamburg.de