Brasiliens Umweltschützer frustriert

Business as usual: Der brasilianische Staatsmulti Petrobras darf im ecuadorianischen Nationalpark Erdöl fördern. Und die Weltbank belohnt Brasilien mit „grünen“ Krediten. Doch die kommen der Umweltpolitik bestenfalls indirekt zugute

AUS PORTO ALEGRE GERHARD DILGER

„Wir wollen nicht als Imperialisten gesehen werden“, sagte Luiz Inácio Lula da Silva zu seinem ecuadorianischen Kollegen Lucio Gutiérrez am letzten Mittwoch. In seinen Reden beschwor Brasiliens Präsident erneut seine Vision vom erstarkten, selbstbewussten Südamerika. Doch über das umstrittenste bilaterale Projekt sah er ebenso diskret hinweg wie die gesamte brasilianische Presse: Wenige Tage vor Lulas Besuch erhielt der Staatskonzern Petrobras die Lizenz zur Ölförderung im ecuadorianischen Amazonas-Nationalpark Yasuní, dem größten des Landes und seit 1989 Unesco-Biosphärenreservat.

„Petrobras arbeitet mit doppelten Standards“, sagt die brasilianische Soziologin Julianna Malerba, die Anfang August als Mitglied einer internationalen Umweltschützerdelegation im Reservat war. In Brasilien nämlich wäre solch ein Projekt in einem Nationalpark undenkbar. Nicht so im Yasuní-Reservat, wo die Multis Repsol-YPF und Encana schon länger aktiv sind – mit verheerenden Folgen für den dort besonders artenreichen Urwald und die Huaorani-Indígenas. „Flüsse und Grundwasser sind verschmutzt, die Fauna leidet unter den Straßen und Pipelines, die Huaoranis sind erstmals von Krankheiten wie Hepatitis oder Syphilis befallen worden“, berichtet Malerba. „Die Multis haben die indigenen Gemeinschaften von sich abhängig gemacht, bedrohen ihre Kultur, der Staat hat nichts zu melden.“

Petrobras, das 2002 durch den Kauf von 59 Prozent der argentinischen Ölfirma Perez Companc an die Explorationsrechte in Ostecuador gekommen war, plant nun den Bau von 12 Bohrtürmen, 32 Kilometer Pipelines und 29 Kilometer Straße. Auf einem Areal von 200.000 Hektar werden 230 Millionen Barrel Öl vermutet. Leonidas Iza, Vorsitzender der Indígena-Organisation Conaie, hat Klagen von nationalen und internationalen Gerichten angekündigt. „Petrobras arbeitet dem ecuadorianischen Staat in die Hände, der für die Petrodollars die Zerstörung des Nationalparks in Kauf nimmt“, sagt Julianna Malerba. In fünf Jahren will der Multi in Ecuador 100 Millionen Dollar investieren. Fast zeitgleich mit Lulas Staatsbesuch in Quito verbreiteten in Brasília Umweltministerin Marina Silva die frohe Kunde von einem Weltbank-Ökokredit in Rekordhöhe: 505 Millionen Dollar zu günstigen Konditionen, die bis 2008 bis auf 1,2 Milliarden Dollar aufgestockt werden könnten. Allerdings fließen die Mittel nicht an das Umweltministerium, sondern werden als „internationale Reserven“ verbucht. „Damit können Schuldentitel zurückgekauft werden“, sagt Adriana Ramos von der Umweltorganisation ISA. „Aber nichts garantiert, dass dieses Geld tatsächlich für Umweltprojekte verwendet wird.“ Unklar seien auch die Kriterien, nach denen die Weltbank die Regierungspolitik bewerte. Weltbankvize Vinod Thomas jedenfalls bezeichnete den Kredit als „Anerkennung für die umweltpolitischen Anstrengungen“ Brasiliens.

Der „politische Preis“ für solche Kredite sei „extrem hoch“, urteilt der Verband Rede Brasil. Die Weltbank erlange eine „immense Macht, um bei der Formulierung und Umsetzung“ der brasilianischen Umweltpolitik mitzumischen, befürchten Umweltschützer. Entsprechend würden Mitsprachemöglichkeiten der „Zivilgesellschaft“ reduziert, Brasilien werde zu einer liberalen Handelsagenda gedrängt. Die Regierung unterwerfe sich weiterhin den Vorgaben der multilateralen Finanzinstitute.

„Der Vorrang der Ökonomie ist offensichtlich“, lautet auch das Fazit von Kátia Vasconcellos von Friends of the Earth über die ersten 20 Monate der Regierung Lula. „Umweltschutz hingegen gilt wie eh und je als Problem“.