Spagat zwischen den Kulturen

Die polyglotten Kalifornier „Rupa & the April Fishes“ passen in keine Schublade – oder legt jemand französische Chansons neben argentinischem Tango und kolumbianischer Cumbia ab? Mit ihrem grandiosen Potpourri der Kontinente wartet die indo-amerikanische Sängerin Rupa Marya und ihre Band morgen Abend in der Fabrik auf

Als Mexikanerin, als Araberin, als Brasilianerin und als was auch sonst noch ist Rupa Marya schon durchgegangen. Bei einer Indo-Amerikanerin, die französisch singt, mit musikalischen Fragmenten aus aller Welt spielt und sich in keine Schublade stecken lässt, ist das nicht so ganz überraschend. Die Leute interpretieren, und da bietet der ungewöhnliche Sound einer ungewöhnlichen Band und einer Frau, die zwischen den Kontinenten, den Kulturen und Sprachen groß wurde, quasi ideale Voraussetzungen. Rupa Marya purzelt quasi zwischen den Kontinenten, den Sprachen und musikalischen Einflüssen nur so hin und her und alles scheint die stimmgewaltige Frau mit den dicken, krausen Locken und den optimistisch leuchtenden Augen wie ein Schwamm in sich aufgesaugt zu haben und Scheibchenweise zu verarbeiten.

Allerdings mit gehöriger Zeitverzögerung, denn es ist schon ein paar Tage her, dass man Rupa rund um den Globus schickte. Rupa ist die Tochter von Eltern aus dem Punjab, aber in der Bucht von San Francisco geboren. Im zarten Alter von vier Jahren wurde sie dann zu ihren Großeltern in den Norden Indiens geschickt, wo sie ihre ersten Schuljahre verbrachte. Als zehnjährige holten die Eltern ihre Tochter zurück, nur war es nicht mehr San Francisco sondern Südfrankreich, wo die Familie nun lebte. Ein Grund dafür, weshalb Rupa auch das französische Chanson zu schätzen weiß, was auf ihrem Debüt „eXtraOrdinary rendition“ nicht zu überhören ist.

So richtig geplant war die Karriere auf der Bühne allerdings nicht, denn Rupa ist zuallererst Ärztin und dann Sängerin. Die ersten Konzerte gab die Fachärztin für innere Medizin vor ihren Patienten in San Francisco. Dort, im Mission District, einem Stadtviertel mit hohem Migrationsanteil, lebt die Ärztin und hier hat sie auch die Klänge von Cumbia und anderen lateinamerikanischen Genres aufgesogen. Zuerst stand sie allein auf der Bühne, dann gesellten sich einige der Bandmitglieder von heute hinzu. Doch Musik lief anfangs nur nebenbei, denn der Vater hatte ihr früh verklickert, dass der Beruf im weißen Kittel etwas mit Verantwortung sei, Musik hingegen nur ein Hobby.

Daraufhin war die Tochter mächtig sauer, denn schon die Oma musste der Ehe wegen der Musik abschwören. Genau das wollte sich Rupa, deren Mutter erste Erfolge als Konzertpianistin feierte, bevor sie ihr Ja-Wort gab, nicht gefallen lassen und so ist ihr nun die Aufmerksamkeit von Mutter und Großmutter gewiss. Die verfolgen mit Argusaugen, wie die Gitarristin mit der wandelbaren Stimme mit den Zutaten jongliert, die ihr die weitverzweigte Familie in die Wiege gelegt hat. Jedes Stück ihres Repertoires mutet anders an und die Band, die mit Trompete, Cello, Akkordeon, Bass, Bandoneon, Glockenspiel und elektrischem Kontrabass nicht gerade typisch bestückt ist, begleitet die sich wandelnde Stimme von Rupa Marya mit traumwandlerischer Sicherheit auf ihren Streifzügen. Die führen sie durch den amerikanischen Folk, verweilen weiter südlich bei Mariachi und Cumbia, um von dort über den großen Teich überzusetzen und dem französischem Chanson ein Denkmal zu setzen.

Ohnehin singt Rupa oft französisch. Dafür gibt es auch einen triftigen Grund. Sie will zum Nachdenken anregen, es ist die „Angst vor allem Unbekannten, die die USA seit dem 11. September 2001 prägt“, die ihr nicht schmeckt. Das Fehlen einer tieferen Analyse behagt ihr dabei genauso wenig wie das Verteufeln alles Fremden. Genau das finanziert nämlich die junge Ärztin mit der markanten Stimme – bienvenue. KNUT HENKEL

Fr, 13. 2., 21 Uhr, Fabrik, Barnerstr. 36