Terrorfahndung auf hoher See

Kommandowechsel bei den Marineverbänden am Horn von Afrika. Die Bundeswehr bleibt dort innerhalb der Operation „Enduring Freedom“ tätig

aus Dschibuti ERIC CHAUVISTRÉ

Bierzelttische stehen für die Ehrengäste bereit, weiße Marineuniformen strahlen in der Sonne, das Rednerpult aus Resopal ist schwarzrotgolden geschmückt, das kalte Buffet angerichtet. Nur der Lärm der Schlauchboote, mit denen französische Spezialkräfte das Schiff umkreisen, erinnert daran, dass man nicht bei einer Schiffstaufe in Emden, Kiel oder Warnemünde ist. Auf dem Hubschrauberlandedeck der deutschen Fregatte „Brandenburg“ – eine 14-tägige Seereise von Deutschland entfernt im tropischen Dschibuti – feiert der schwimmende Teil der militärischen Anti-Terror-Koalition die Kommandoübergabe innerhalb des multinationalen Verbandes aus Spanien, Italien, den USA, Deutschland und Frankreich.

Ein halbes Jahr lang hatte der deutsche Vizeadmiral Manfred Nielson die so genannte Task Force 150 geführt, die als Teil der US-Operation „Enduring Freedom“, dem Marinekommandeur des „US Central Command“ in Bahrein unterstellt, vor allem im Roten Meer und im Golf von Aden agiert. Seit Montag hat ein französischer Admiral das Kommando.

Aber die deutsche Marine ist weiterhin präsent. Zwar nur noch mit knapp 300 Soldaten statt einst 1.500 und etwa 700 in den letzten Monaten. Für diesen Rest stellt sich die Bundeswehrführung aber offenbar auf eine dauerhafte Präsenz ein. Die deutsche Fregatte „Lübeck“ ist gerade mit 220 Soldaten an Bord in Dschibuti eingelaufen und soll das nächste halbe Jahr in der Region bleiben. Hinzu kommt eines der drei Patrouillenflugzeuge vom Typ „Brequet Atlantic“ samt Besatzung und Wartungsteam, die in der vergangenen Woche aus dem kenianischen Mombasa abgezogen wurden.

Es gelte, die „Durchhaltefähigkeit sicherzustellen“, sagt General Friedrich Riechmann, der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos in Potsdam, der alle deutschen Auslandseinsätze koordiniert. „Counterterrorismus“ sei schließlich eine Aufgabe, die sich noch lange hinziehen könne. Und es sei denkbar, dass das Kontingent auch wieder erhöht würde. Derzeit hätten auch andere Staaten ihre Präsenz verringert.

Die offiziellen Äußerungen suchen die Balance zwischen Erfolgsmeldungen – um die Richtigkeit des bisherigen Einsatzes zu bestätigen – und dem Hinweis auf die fortdauernden Gefahren – um auf die Notwendigkeit weiterer Präsenz hinzuweisen. Man habe einen „gewissen Grad von Stabilität in einer unsicheren Region geschaffen“, sagt Nielson bei der Übergabe an seinen französichen Kollegen Admiral Jacques Mazars. Aber „dauerhafter Frieden“ sei noch nicht erreicht und die „Aktivität des internationalen Terrorismus leider nicht beendet“. „Vielleicht wirkt die Wahrscheinlichkeit, durch unsere Anwesenheit entdeckt zu werden, schon abschreckend“, meint der Chef der deutschen Flotte, Vizeadmiral Wolfgang Nolting. Man betreibe hier so etwas wie „Rasterfahndung auf hoher See“.

5.000 Anfragen hat die gesamte Task Force 150 allein in den letzten vier Monaten an Schiffe gerichtet, so genannte Queries, bei denen etwa Ladung, geplante Route und Zielhafen erfragt wurden. Steht ein Schiff auf der schwarzen Liste, weil das „US Central Command“ dem Eigner Verbindungen zu Terrorgruppen unterstellt oder weil widersprüchliche Angaben über Ladung und Route gemacht wurden, setzen Hubschrauber oder Beiboote bewaffnete Teams ab, um auf dem Schiff Papiere, Ladung und Besatzung zu kontrollieren. 26 dieser so genannten Boardings gab es allein in den letzten Monaten unter deutschem Oberkommando, alle mit Zustimmung der Schiffsführer.

Hätte ein Kapitän seine Zustimmung verweigert, wäre es für die deutschen Kommandeure wohl schwierig geworden. Man habe zwar alle „Fähigkeiten“, heißt es bei der Marine in Dschibuti im schönsten Militärdeutsch, die aber „nicht alle abgefragt würden“. Im Klartext: Die deutschen Kommandeure sind vom Bundesverteidigungsministerium nicht ermächtigt, Schiffe mit Waffengewalt zu entern. Es sei „ein reelles Problem, ohne die Einwilligung des Eigners an Bord zu gehen“. Aber man habe ja auch noch andere Mittel zur Verfügung. Mit bestimmten Manövern etwa könne man Boote zur Kursänderung in Richtung eines Hafens zwingen, wo sie dann ganz legal untersucht werden können. Ein anderes, innerhalb des multinationalen Verbandes erprobtes Mittel sei es, bewaffnete Hubschrauber aufsteigen zu lassen. Dies allein habe schon dazu geführt, dass Kapitäne doch noch ihre Einwilligung gegeben haben.

Und schließlich gebe es ja auch noch die Amerikaner, deutet ein hoher deutscher Offizier in Dschibuti an, deren Schiffe innerhalb des Verbandes weit weniger Beschränkungen unterliegen als die der anderen Teilnehmer – auch wenn für sie selbstverständlich der völkerrechtliche Grundsatz gelten sollte, dass sich außerhalb von Küstengewässern jedes Schiff frei bewegen darf.

Weigert sich demnächst der Kapitän eines Handelsschiffes auch nach heftigen Drohmanövern tatsächlich, Soldaten der Task Force 150 an Bord zu lassen, könnte die Normalität und Routine, mit der an Bord der „Brandenburg“ gefeiert wurde, sehr schnell wieder beendet sein.