philipp maußhardt über Klatsch
: Verdammt, ich hass dich!

Schlagersänger Matthias Reim hat einen Schatten. Der heißt Reimann. Und der jagt ihn

Manchmal wäre ich gerne zwei. Manchmal wäre ich gerne gleichzeitig hier und dort. Gestern zum Beispiel. Da wäre ich gerne in die polnische Stadt Lodz (Theo!!!) gefahren und bin dann doch hier im süditalienischen Fischerstädtchen Peschici geblieben. Hier in Peschici (sprich: Päskitschi) hatten vor genau fünf Jahren 99 Lottospieler die sagenhafte Summe von 66 Milliarden Lire (ca. 35 Millionen Euro) gewonnen. Jetzt schaun-mer-mal, was aus dem vielen schönen Geld geworden ist (später dazu einmal mehr). In Lodz hingegen hätte mich ein Gerichtssaal interessiert. In ihm wurde verhandelt, ob Alfred Reimann aus Leerte in Niedersachsen Recht hat und ihm die Millionen gehören, die Ich Troje auf dem Konto liegen hat. Oder eben nicht. Alfred Reimann sagt ja, die polnische Musikband Ich Troje sagt Nein. So ist das immer, wenn zwei sich streiten.

Reimann ist ein bunter Vogel. Er wohnt ein bisschen in Niedersachsen und ein bisschen in Spanien. Von Beruf ist er ein bisschen Musikproduzent, ein bisschen Fliesenleger, ein bisschen Immobilienmakler, ein bisschen Anlageberater und ein bisschen Schriftsteller und Philosoph. Jetzt lachen vielleicht manche, aber einer weint, wenn er das liest: Matthias Reim, der Schlagersänger („Verdammt, ich lieb dich“). Reim und Reimann waren einmal dicke Freunde. Heute bekämpfen sie sich mit Hilfe von Paragrafen, Gerichtsvollziehern und Staatsanwälten.

Die Geschichte dieser Freundfeindschaft reicht Jahre zurück und sogar bis nach Göttingen. Dort zogen Matthias und Alfred jeden Abend gemeinsam durch die Kneipen, der eine konnte Gitarre spielen, der andere Pläne schmieden. „Ich mach dich berühmt“, sagte Alfred nach einigen Gläsern „Göttinger Bier“ (gibt es das überhaupt?), „und dann teilen wir.“ Tatsächlich: Matthias Reim wurde eines Tages berühmt, und der liebe Matthias unterschrieb einen Vertrag, in dem Freund Alfred alle Vollmachten erhielt, das mit Platten und Tourneen eingenommene Geld in der gemeinsamen R & R GmbH zu verwalten.

Erst die gute Nachricht: Alfred Reimann hat sich wirklich sehr um das Geld von Matthias Reim gekümmert. Fast 15 Millionen Mark investierte er in ein Fliesengeschäft, in einen Frisörsalon, in eine Imbissbude, in zehn Computergeschäfte und in Ostimmobilien. Jetzt die schlechte Nachricht: Es ist nichts mehr da. Alles weg. Irgendwie ging alles schief, und das Firmenimperium Reim und Reimann ging Pleite. Matthias Reim zeigte dem Gerichtsvollzieher seine leeren Hosentaschen, und obwohl er heute wieder in den Hitparaden oben ist, ist er bei seiner Bank unten durch. Bis er alle Schulden abbezahlt hat, die sein Freund Alfred für ihm machte, muss er bis weit ins Rentenalter singen.

So ging wie Marmorstein zu Bruch, was nicht zu Bruch gehn darf: die Liebe und ein Freund. Ein guter Freund war auf einmal das Schlechteste, was es gibt-auf-der-Welt. Neueste Meldung aus der heilen Schlagerwelt: Vor einer Woche ließ Matthias Reim von der Staatsanwaltschaft Oldenburg mehrere Gebäude durchsuchen, in denen Unterlagen über die verschobenen Immobilienmillionen vermutet wurden. Doch Alfred Reimann versicherte den durchsuchenden Polizeibeamten: „Ich habe doch selber nichts mehr.“

Inzwischen haben die juristischen Auseinandersetzungen der beiden Ex-Göttinger-Kneipen-Kumpels bundesdeutschen Boden verlassen, und nun müssen sich polnische Richter mit der Angelegenheit befassen. Um es kurz zu machen: Von den verschwundenen Millionen floss Mitte der 90er-Jahre auch ein Teil in ein polnisches Musikstudio (R & R polska), das die völlig unbekannte Band Ich Troje unter Vertrag nahm. Leider wurde Ich Troje auch berühmt, zumindest in Polen. Und Alfred Reimann behauptet nun wieder, dass Verträge eingehalten werden müssen und ihm somit ein Teil der Millionen Zloti gehöre, dieIch Troje inzwischen verdient hat.

Ein sicherlich unterhaltsamer Prozess vor dem Gericht in Lodz (Theo, halt die Klappe!), vor allem, wenn man weiß, dass Ich Troje und Matthias Reim für nächstes Jahr eine gemeinsame Tournee durch Deutschland planen. Vielleicht kann ja schon einmal der Verband der Gerichtsvollzieher in Deutschland ein Kartenkontigent bestellen, dann hätte man sie alle zusammen.

Das alles schreibe ich im schönen Peschici. Dem Dorf der Millionäre.

Fragen zu R & R?kolumne@taz.de