Verbotene Früchte aus dem Westjordanland

Auf Datteln und Tomaten aus dem israelischen Staatsgebiet erhebt die EU keinen Zoll. Doch Israel exportiert derart vergünstigt auch Waren aus jüdischen Siedlungen in besetzten Gebieten. Das will Brüssel nun nicht mehr hinnehmen

JERUSALEM taz ■ Wo Israel draufsteht, ist nicht unbedingt Israel drin. Datteln und Schnittblumen aus dem Jordangraben, Cherrytomaten aus Gaza, Badesalz vom Toten Meer – zahlreiche Produkte, die mit der Herkunftsangabe „Israel“ in hiesigen Regalen landen, kommen aus den besetzten Gebieten. Israelische Waren genießen gemäß einem bilateralen Abkommen Zollfreiheit bei der Einfuhr in die EU. Seit zwei Jahren nimmt Israel dieses Recht offiziell auch für Produkte aus dem Westjordanland, dem Gaza-Streifen und von den Golanhöhen in Anspruch. Dies halten die Europäer für vertragswidrig. Morgen werden die zuständigen Außen- und Wirtschaftsminister der EU-Staaten und Israels das Problem im Assoziierungsrat in Brüssel verhandeln.

Die umstrittenen Waren machen nach einer inoffiziellen Schätzung aus Brüssel zwar nur 2 Prozent der israelischen EU-Exporte aus – etwa 100 Millionen Euro von 5,6 Milliarden Euro im Jahr 2002. Dafür fallen sie politisch umso stärker ins Gewicht: Mit ihrer zollamtlichen Deklarierung geht es auch um den völkerrechtlichen Status der israelischen Siedlungen.

Menschenrechtsgruppen wie die palästinensische Mattin Group aus Ramallah hoffen jetzt auf die EU: Gerade die „technische und gesetzliche Materie“ des Zollabkommens, so Mattin-Sprecherin Salwa Duaibis, biete ein ideales Instrument, um die israelischen Behörden selbst den Unterschied zwischen „legalen und illegalen Produkten“ dokumentieren zu lassen. Die EU-Kommission müsse „verhindern, dass Israel die Missachtung des Völkerrechts zollfrei exportiert“.

Doch das durchzusetzen, ist zumindest nach den geltenden Regeln nicht ganz einfach. Beim Verdacht einer falschen Zertifizierung kann das Einfuhrland ein Pfand auf die betreffende Lieferung erheben und eine nachträgliche Prüfung des Ursprungsorts beantragen. Diese nehmen dann aber die Behörden des Exportlandes, also Israel, vor. Bestätigen sie die Ursprungsangabe, berechtigt das den Importeur zur zollfreien Einfuhr. Hält die Zollbehörde des Einfuhrlandes dennoch an ihren Zweifeln fest und kassiert das Pfand, kann die betroffene Importfirma vor Gericht ziehen – so geschah es jüngst in England.

Ein umständliches und langwieriges Verfahren, das in der EU-Kommission wachsenden Unwillen erzeugt. „Unsere Geduld ist nicht unbegrenzt“, sagt Diego de Ojeda, Sprecher des EU-Kommissars für Außenbeziehungen, Chris Patten, mit Blick auf das bevorstehende Treffen in Brüssel. Patten hatte mehrfach auf eine grundsätzliche Klärung der Zertifizierungsregeln gedrängt. Er macht aber ebenso keinen Hehl daraus, dass er zuerst von Israel einen konstruktiven Vorschlag erwartet.

Doch der lässt auf sich warten. Stattdessen sind die israelischen Behörden mehr und mehr dazu übergegangen, Anträge auf Ursprungsprüfung unbeantwortet zu lassen und Strafzölle in Kauf zu nehmen. Salwa Duaibis hält das für eine Stillhaltetaktik. Israel wolle „vermeiden, die Sache in eine Richtung zu treiben, in der die Politik der illegalen Siedlungen zur Sprache kommt“. Israels Kooperationsverweigerung müsse für die EU-Kommission Grund genug sein, entschiedener vorzugehen: Die Ursprungsangabe „Israel“ solle generell in Zweifel gezogen, die Beweislast umgekehrt werden.

„Der Ball ist jetzt im Feld der EU-Kommission“, sagt Christina Pfestroff vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) in Bonn, der Mattin bei der Lobbyarbeit unterstützt. „Aber es ist weiterer Druck aus den Mitgliedsstaaten nötig.“ Entsprechende Initiativen von Parlamentariern in Deutschland, Dänemark, den Niederlanden und Belgien haben offensichtlich Früchte getragen. Pattens Sprecher Ojeda kündigte an, die EU-Kommission als Hüterin des Zollabkommens werde „härtere Maßnahmen“ ergreifen, wenn Israel morgen kein Entgegenkommen zeige.

Allerdings steckt Brüssel in einer misslichen Lage: Denn mit einem Exportvolumen von 10 Milliarden Euro allein im letzten Jahr profitieren die EU-Staaten selbst von den bilateral ausgehandelten Zollvorteilen in Israel. BURKHARD JÜRGENS