In Mazedonien droht eine neue Konfrontation

Am kommenden Sonntag findet ein Referendum statt. Damit wollen die Initiatoren eine Gemeindereform zugunsten der albanischen Minderheit verhindern. Sollte die Mehrheit mit Ja stimmen, wäre der Friedensprozess gefährdet

SKOPJE taz ■ Wenn am 7. November in einem Referendum über die von der Regierung vorgeschlagene Gemeindereform abgestimmt wird, droht Mazedonien eine neue innenpolitische Krise. So warnen diplomatische Quellen aus Kreisen der Nato, der EU und der ausländischen Botschaften in der Hauptstadt Skopje. Bei einem Erfolg des Referendums könnten der zwischen der slawischen Mehrheitsbevölkerung und der albanischen Minderheit ausgehandelte Vertrag von Ohrid und sogar der Fahrplan für die Integration des Landes in die EU in Frage gestellt werden. „Die Auswirkungen wären katastrophal und würfen das Land um Jahre zurück“, heißt es.

Die Initiatoren des Referendums wollen die Gemeindereform verhindern, die der albanischen Minderheit entgegenkommt. So sollen viele Gemeinden zusammengelegt werden, ihre Anzahl wird von 123 auf 80 sinken. Auswirkungen wird die Reform insbesondere in den Gemeinden Struga, Kicevo und in Skopje haben. In Struga und Kicevo könnte die albanische Bevölkerung sogar die Mehrheit stellen, befürchten die Initiatoren. In Skopje würde die 20-Prozent-Grenze überschritten, die nach den Vereinbarungen von Ohrid die Gemeinde verpflichtet, Albanisch neben Mazedonisch als zweite offizielle Sprache einzuführen.

Angestrengt wurde das Referendum vor allem durch den „Mazedonischen Weltkongress“, eine Organisation von 200.000 Exilmazedoniern. Nach dem erfolgreichen Beginn der Kampagne im Februar dieses Jahres schloss sich die Oppositionspartei VMRO-DPMNE an, so dass vor dem Stichtag am 23. August 180.000 Unterschriften von den 1,7 Millionen Wahlberechtigten gesammelt werden konnten. Falls es den Initiatoren gelingen sollte, mehr als 50 Prozent der Wahlberechtigten, also rund 850.000 zu mobilisieren, wären der Vertrag von Ohrid hinfällig und die Perspektive des Landes, sich der EU anzunähern, gefährdet. Beobachter weisen darauf hin, dass es in diesem Falle zu einer Regierungskrise und einer Verschärfung der ethnischen Spannungen kommen könnte.

Der Ohrid-Vertrag war am 23. August 2001 geschlossen worden, nachdem es im Frühjahr zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Albanern und der mazedonischen Armee gekommen war. Unter dem Druck der USA, der EU und nach zeitweiliger Stationierung von Nato-Truppen gelang es, beide Seiten an den Verhandlungstisch zu bringen.

Nach den Wahlen 2002 bildeten die Sozialdemokraten und die Führung der aufständischen Albaner eine Koalition, die versprach, das Abkommen von Ohrid umzusetzen. Die Gemeindereform war ein Pfeiler des Friedensprozesses. Die EU sagte bei einer Umsetzung des Vertrages Verhandlungen über eine EU-Mitgliedschaft zu. Im März 2004 stellte die Regierung einen entsprechenden Antrag.

Dies alles gerät nun in Gefahr, sollte sich eine Mehrheit für das Referendum aussprechen.„Bleiben sie am Referendumstag zu Hause“, lautete die Botschaft des britischen Ministers für Europafragen, Denis McShane, an mazedonische Wähler. Die Gemeindereform brächte allen Gemeinden Vorteile, erklärt der EU-Vertreter Jasper Thomsen in Skopje. Denn erstmals würden die Gemeinden über ein Budget verfügen. Die meisten Bürgermeister seien eigentlich zufrieden mit der Reform. Dennoch sei es den Initiatoren gelungen, einen Großteil der slawischen Bevölkerung zu mobilisieren.

ERICH RATHFELDER