Jugend gegen Oberbuchhalter

Eigentlich wollte sich der Parteinachwuchs von SPD, PDS und Grünen nur solidarisch mit dem Unistreik erklären. Dann forderte er gleich den Rücktritt des Finanzsenators. SPD und PDS irritiert

von GRIT EGGERICHS

Sitzen drei Sprecher der Parteijugend von Grünen, SPD und PDS in der Uni. Sagt der Grünen-Vertreter: „Ihr werdet mir wohl zustimmen, dass Thilo Sarrazin sofort zurücktreten muss.“ Murmelt der SPD-Mann: „Ich bin dabei.“ Und der von der PDS: „Da sind wir uns wohl alle einig.“ Allgemeines Nicken.

Die Sprecher der Grünen Jugend, der Jusos und von Solid, der Jugendorganisation der PDS, hatten sich auf eine brave Unistreik-Solidaritätsadresse geeinigt. Die stellten sie dann gestern früh in dem ansonsten leeren Audimax der Humboldt-Universität (HU) vor: Rücknahme der Sparvorgaben für die Hochschulen, weder Studiengebühren noch -konten, stärkere Mitbestimmung der Studierenden in Entscheidungsprozessen – das sind die Forderungen, mit denen sie ihre Mutterparteien konfrontieren wollen.

Die Art und Weise der Auseinandersetzung klang zunächst zahm: Man wolle „Signale setzen“, sagte Juso-Landessprecher Fabian Schmitz, und die Partei zum Nachdenken bringen, „ob das alles so richtig ist – im Namen der sozialen Gerechtigkeit“. Benedikt Lux, Bundessprecher der Grünen-Jugend, erklärte sich und die Seinen zwar zur „Alternative auf Landesebene“, versprach aber trotzdem, „innerparteilich Stress zu machen“. Zum Beispiel bei Grietje Bettin, der grünen Bundestagsabgeordneten, die sich ungebührlich für Studiengebühren stark mache.

„Ausnahmsweise teile ich die Auffassung von SPD und Grünen“, erklärte Arne Norman Brix, frisch gewählter Landessprecher von Solid, mit gespieltem Erstaunen. Er hoffe, dass am Wochenende viele Studierende zum PDS-Parteitag kommen. Ihren Protest müssten die aber „klar und strukturiert darlegen“. 70-jährige Parteiveteranen dürfe man nicht mit bunten Plakaten überraschen. „Da ich um das Soldatentum unserer Parteigenossen weiß, bin ich sowieso skeptisch.“

Übereinstimmend erklärten alle drei, die Sparmaßnahmen der rot-roten Koalition seien „Ausdruck miserabler Finanzpolitik“. SPD-Nachwuchspolitiker Schmitz kritisierte seinen Parteigenossen Sarrazin geschliffen: „Makroökonomische Denkweisen sind ihm fremd.“ Dass dieser die Studierenden während der Besetzung seines Büros als „Arschlöcher“ bezeichnet hat, verhärtete die Fronten offenbar noch. Da müsse man ganz deutlich sagen, dass es so nicht gehe, meinte Schmitz kämpferisch.

Und nachdem die Rücktrittsforderung einmal ausgesprochen war, nahm der Juso-Sprecher kein Blatt mehr vor den Mund: „Es wäre besser, wenn Sarrazin nicht der Oberbuchhalter Berlins wäre, sondern ein Senator, der auch politisch denken kann.“

So viel jugendliche Aufmüpfigkeit wollte der Sprecher der SPD-Fraktion, Peter Stadtmüller, nur sparsam kommentieren: „Fraktion ist Fraktion, und Jusos sind Jusos.“ Aus Sicht des SPD-Landesverbandes ist Thilo Sarrazin „der falsche Ansprechpartner“ für unzufriedene Studierenden, meint Parteisprecher Hannes Hönemann. Er gab den Nachwuchspolitikern den Tipp, statt des Finanzsenators den „schlappen Reformkurs der Uni-Präsidenten“ zu kritisieren. Da sei man wenigstens an der richtigen Adresse.

Beim Koalitionspartner PDS konnte man sich nicht erklären, „was sich die jungen Leute davon versprechen“, so die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion, Siglinde Schaub. „Mehr Geld kriegen wir so auch nicht.“

Die Stimmung für überparteiliche Bündnisse unter jungen Genossen jedenfalls scheint gut zu sein. Die zwei Jurastudenten Schmitz und Lux haben sich vorgestern zum ersten Mal mit dem jungen Sozialisten Brix – übrigens Vertriebsleiter eines Ostversands – getroffen. Und waren sich doch so schnell einig.