Brodeln in Lulas Arbeiterpartei

Der brasilianische Präsident setzt weiterhin auf Sparen und Agroexporte. Erfolge in der Sozialpolitik lassen auf sich warten, die Vetternwirtschaft boomt. Die Kritik an Lula auch

PORTO ALEGRE taz ■ In Brasilien geht der Streit über den Kurs von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva weiter. Zwei Entscheidungen stießen nicht nur den Linken der regierenden Arbeiterpartei PT übel auf: Die Zentralbank erhöhte zum dritten Mal in Folge den Leitzins, was das Finanzkapital freut, aber Investitionen erschwert. Dann gab der Staatschef dem Direktor der staatlichen Entwicklungsbank BNDES Carlos Lessa den Laufpass und entließ damit den markantesten Vertreter jener „anderen“ Wirtschaftspolitik, die Lula im Wahlkampf immer wieder versprochen hatte. Zwei Tage darauf starb Celso Furtado, der renommierteste brasilianische Ökonom der letzten Jahrzehnte. Furtados hat etwas Symbolisches, denn der auch von Lula verehrte 84-Jährige galt als Inspirator jenes linksnationalistischen Kurses, den sein Zögling Lessa über die BNDES umzusetzen versuchte.

Anstatt die Privatisierung lukrativer Staatsbetriebe mitzufinanzieren, hatte sich die Staatsbank wieder auf ihre ursprüngliche Aufgabe besonnen und stellte lieber erschwingliche Kredite für volkswirtschaftlich sinnvolle Projekte bereit. Multinationale Konzerne müssen nun wieder für ihre brasilianischen Tochtergesellschaften bürgen. Der kantige, wortgewaltige Lessa wurde so Lieblingsfeind jener Finanzjongleure, die von der neoliberalen Bonanza der Neunzigerjahre am meisten profitiert hatten.

Jetzt aber sei „die Regierung zurückgewichen. Es ist ein Sieg der absolutesten und überholtesten Finanzorthodoxie“, sagt der PT-Abgeordnete Chico Alencar. Auch für die Rückschlage bei den Kommunalwahlen Anfang November, bei denen die PT ihre früheren Hochburgen São Paulo und Porto Alegre verlor, wird Lula nicht mehr nur von Parteilinken mitverantwortlich gemacht. Raul Pont aus Porto Alegre kritisiert Lulas Bündnispolitik, durch die weitere Teile der bürgerlichen Parteien ins Regierungslager eingebunden werden sollen. Die Methode, Parlamentarier durch die Verteilung von Haushaltsmitteln gefügig zu machen, sei „schändlich, überholt“ und fördere die Vetternwirtschaft, schimpft der PT-Linke. Bei der kommenden Regierungsumbildung soll erstmals ein Vertreter der rechtpopulistischen „Progressiven Partei“ ein Ministerium erhalten.

Auch in der Sozialpolitik stehen die Zeichen auf Sturm. Das mit viel Vorschusslorbeeren bedachte Antihungerprogramm „Fome Zero“ droht in bürokratischem Durcheinander unterzugehen, das federführende Ministerium wird erneut umgebaut. Alte Weggefährten Lulas wie der Befreiungstheologe Frei Betto verabschieden sich aus der Regierung. Für die Agrarreform sind keine Haushaltsmittel da: 115.000 Landlosenfamilien wollte Lula bis Jahresende ansiedeln, geschafft sind nicht mal die Hälfte. Den sozialen Bewegungen ist vor allem die Bevorzugung des exportorientierten Agrobusiness ein Dorn im Auge.

Lula hingegen gibt sich unbeeindruckt. Auf einem Treffen mit sämtlichen PT-Ministern stärkte er Finanzminister Antonio Palocci demonstrativ den Rücken: „Wir sind auf dem richtigen Weg.“ GERHARD DILGER