NEBENSACHEN AUS ROM VON MICHAEL BRAUN
: Sultans Frauenoffensive

BERLUSCONI ERMUNTERT FRAUEN ZUR KANDIDATUR BEI EUROPA-WAHLEN UND KASSIERT DIE SCHEIDUNG

Altherrenriege, Gerontokraten-Club – immer wieder war in den letzten Jahren diese Beschwerde über die politische Klasse Italiens zu hören. Mit gutem Grund: Abgeordnete unter 30 sind in Roms Parlament Mangelware, genauso gehören Frauen zu den Raritäten. Erst recht junge Frauen genossen Exotinnenstatus.

Endlich aber kommt einer, um das zu ändern – und nun ist es auch wieder nicht recht. Silvio Berlusconi, selbst 72 Jahre jung, hatte bei der anstehenden Europawahl eine radikale Umkehr vor. „Junge Frauen auf die Listen!“ lautete sein Schlachtruf. So kam ein Kandidatinnen-Karussell der besonderen Art in Schwung. Von „Politikastern“ hält Berlusconi ja bekanntlich nichts und von Parlamentariern sowieso nichts. „Nichtstuer, die bloß bei den Abstimmungen das Knöpfchen drücken“, findet er. Deshalb war bei der Auswahl der angehenden Nichtstuerinnen das allerletzte Kriterium, ob sie etwas von Politik verstehen. Eher schon zählte der direkte Draht zum „Sultan“, wie Berlusconi in Rom genannt wird. Ein Draht, der bloß zustande kommt, wenn die Damen den „gefühlt Dreißigjährigen“ durch anderes in Wallung bringen als durch Beschlagenheit in parlamentarischen Geschäftsordnungen.

Da war eine als Kandidatin im Gespräch, die sich ihre Meriten durch die Teilnahme am Big Brother erworben hatte – und die vor einigen Jahren von einem Paparazzo abgelichtet wurde, wie sie händchenhaltend mit Berlusconi durch den Garten seiner Villa spazierte. Eine andere kann wenigstens singen: Sie war öfter in Silvios Domizil auf Sardinien zu Gast.

So ging es fröhlich weiter auf der Liste; Showgirls und Soap-Sternchen schickten sich an, bei der EP-Wahl die Europa-Opas aufs Altenteil zu schicken. Laut erklang der Beifall der Berlusconi-nahen Zeitungen. Das rechte Blatt Libero erregte sich über den „Rassismus“ und „Moralismus“ der miesepetrigen Kritiker von links. Bloß weil eine gut aussehe, müsse sie nicht dumm sein. Und es sei doch keine Schande, einen knackigen Hintern zu haben, „die Arschgesichter im Parlament sind am Ende ganz andere“.

Berlusconi hätte die Kandidatinnenaufstellung also ganz allein durchziehen können, dazu hat er laut Parteistatut das Recht. Doch dann meldete sich die einzige im Land verbliebene Oppositionskraft zu Wort: Veronica Lario, Silvios Ehefrau. Sie erklärte öffentlich, da werde „mit weiblichen Kurven und weiblicher Schönheit“ Politik gemacht, „zum Vergnügen des Imperators“. Missvergnügt trat der Imperator sofort den Rückzug an; bis auf eine Schauspielerin flogen all die Aspirantinnen wieder von der Liste. Und auch eine Krankenschwester darf sich weiter Hoffnung auf den Einzug ins EP machen – sie war Silvio aufgefallen, weil sie ihm nach dem letzten Lifting immer das Gesicht massiert hatte.

Wenn Silvio glaubte, so käme er bei Veronica davon, hatte er sich getäuscht. Kaum waren die Wahllisten definitiv zugebunden, zog die Gattin den endgültigen Schlussstrich: Sie will jetzt die Scheidung einreichen.