Es fehlt nur der röhrende Hirsch

Arabiata: Das Restaurant „Washington“ in der nordirakischen Stadt Erbil. Eine Lokalkritik

Der ausgefallene Name demonstriert die Liebe der Kurden zu den USA

AMMAN taz ■ Drei Streifen in Grün, Weiß und Rot – in der Mitte eine Sonne. Die kurdische Flagge. Sie prangt übergroß auf einer Hausmauer im Zentrum von Erbil, der Hauptstadt der drei nordirakischen Kurdenprovinzen. Über der Flagge steht in riesigen schwarzen Buchstaben: „Washington“.

Es ist der Name eines Lokals in dem Gebäude. Die Einrichtung ist typisch für ein Schnellrestaurant: leicht abwaschbare Tische, Metallstühle, Steinboden ohne Teppich. Einzig die Wände wollen nicht so recht zu einem Restaurant mit Namen „Washington“ passen. Sie zeigen Wälder, hohe grüne Berge, deren Spitzen mit Schnee bedeckt sind, einen See … – kurz: das perfekt durchgestylte Kitschambiente, in dem lediglich eines fehlt – ein röhrender Hirsch.

Das Essen ist ebenso gemischt wie das Design: Hamburger und Pizza, Kebab und Hommus. American fastfood à la Kurdiya? „Washington“ in Erbil – ein Werbegag? Oder innige Liebe eines Kurden zu den USA? Zaher Melak, der Betreiber des Lokals sagt: beides.

Während des Krieges sei ihm der Einfall gekommen, das Restaurant zu eröffnen. Im Mai dieses Jahres wurde die Idee dann Wirklichkeit. Der ausgefallene Name, so habe er sich gedacht, locke viele Gäste an, aber demonstriere auch die Liebe der Kurden zu den Vereinigten Staaten von Amerika.

Knapp anderthalb Jahre nach Kriegsbeginn ist Zaher Malek ein wenig ernüchtert – zumindest was die Irakpolitik betrifft, die in der Stadt gemacht wird, nach der Zaher Malek sein Restaurant benannt hat: „Die Politiker in Washington und ihre Entsandten im Irak haben noch viel Arbeit vor sich!“ Es sei den Menschen im Irak früher teilweise einfach besser gegangen. Es sei zum Beispiel sicherer gewesen. „80 Prozent der Verhältnisse stimmen einfach nicht!“

Zu den 20 Prozent, die dagegen seiner Meinung nach stimmen, zählt der Chef des „Washington“ beispielsweise die Lohnpolitik. Noch vor der so genannten Machtübergabe an die Iraker im vergangenen Juni hatten die US-Amerikaner die Löhne im öffentlichen Dienst angehoben – und vor allem auch ausgezahlt. Ebenso die Renten. „Aber der letzte Selbstmordanschlag hat die Leute verunsichert, und viele fürchteten sich, rauszugehen und Geld auszugeben.“

Seit dem Doppelselbstmordanschlag auf die Büros der zwei führenden Kurdenparteien – eine Aktion, bei der am 1. Februar mehr als hundert Menschen in Erbil starben – ist dem „Washington“ zudem ein kleiner, aber feiner Kundenstamm weggebrochen: die wenigen US-Amerikaner, die in der Stadt arbeiten.

Wer hinter den Anschlägen in Erbil steckt, ist immer noch unklar. Kurdische Politiker vermuten Islamisten. Dass die sein „Washington“ auch einmal ins Visier nehmen könnten, glaubt Zaher Malek nicht: „Mein Restaurant ist kein politisches Büro, und das wissen die Islamisten. Deswegen erwarte ich auch nicht, dass sie einen Anschlag auf das ‚Washington‘ verüben.“

So oder so. Umbenennen werde er sein Lokal nicht – auch nicht wegen der Defizite der US-amerikanischen Politik im Irak. Statt „Washington“ – „Ami go home“? Das kommt bei Zaher nicht in die Frittentüte, er ist Bush und Co. dankbar dafür, dass sie Saddam Hussein gestürzt haben.

Dass er irgendwann in Zukunft wegen der US-Amerikaner Konkurrenz bekommen könnte mit Burger King oder McDonald’s, davor habe er keine Angst: „Insgeheim hoffe ich, dass eine der großen Ketten auf mein ‚Washington‘ aufmerksam wird. Ich wäre gern der erste echte kurdisch-amerikanische Fastfood-Anbieter.“ BJÖRN BLASCHKE