Meerumschlungen und total transparent

Schleswig-Holsteins Abgeordnete listen mit Ausnahme der FDPler seit 1995 penibel auf, welche Tätigkeiten sie neben ihrem Mandat ausüben, nachzulesen im Internet. Wie viel Geld dabei zusammenkommt, steht dort allerdings nicht

Produkt- und Parteiwerbung in einem Abwasch: Der grüne Umweltminister Klaus Müller wird in den nächsten Wochen aus einem Fahrzeug wahlkämpfen, das eine Firma für Holzpellets sponsert – kein Problem, meint Müller: „Ich fände es auch nicht schlimm, wenn Peter Harry Carstensen mit einem gasbetriebenen Fahrzeug von RWE herumfährt. Es muss eben nur transparent gemacht werden, dass es eine Verbindung gibt.“

Dafür wollen die Grünen ab der nächsten Legislaturperiode sorgen: Spitzenkandidatin Anne Lütkes kündigte an, dass ihre Partei sich für ein Gesetz einsetzen werde, das zur Offenlegung zwinge. Die grünen Spitzenkandidaten gehen freiwillig voran: Sie wollen alle Nebeneinkünfte offenbaren. Bundesweit sei eine gesetzliche Regelung nötig, meint Lütkes – denn an die freiwillige Regelung hielten sich nicht alle.

Seit 1995 gilt die Selbstverpflichtung der Abgeordneten des Landtages, ihre Posten und Pöstchen anzugeben. „Wir haben bis auf wenige Einschränkungen seitens der FDP keine Probleme mit dem Verfahren“, berichtet Landtagssprecher Dr. Joachim Köhler.

„Ein Mandat ist kein Beruf, eine Diät nur eine Entschädigung“, erklärt FDP-Sprecher Christian Albrecht die Zurückhaltung der Fraktionsmitglieder. Eine Nebentätigkeit für einen Großkonzern sei außerdem etwas anderes als eine selbständige Tätigkeit – wie etwa im Fall Wolfgang Kubicki, Rechtsanwalt von Beruf. „Der darf gar nicht bekannt geben, welche Klienten er hat und was er verdient – das verstößt gegen die Schweigepflicht“, sagt Albrecht. Außerdem reiche die Diät nicht aus, um – etwa für einen Handwerksmeister oder Selbständigen – einen Vertreter zu zahlen, der den Laden während der Parlamentssitzungen schmeißt.

Die Diäten im Land liegen bei 3926,72 Euro im Monat, dazu kommen zahlreiche Aufschläge für Funktionen, Fahrgeld und Bürokostenpauschale, die die Grunddiät in Einzelfällen mehr als verdoppeln.

Was bei wem alles dazukommt, ist im Internet nachzulesen: Unter www.sh-landtag.de führt ein Link zum „Landtagsinformationssystem“, von dort aus über die Funktion „spezielle Suche“ zu den Verhaltensregeln für Abgeordnete und der Liste. Allerdings fehlen die Summen – die müssen nur dem Landtagspräsidenten offen gelegt werden, erklärt Joachim Köhler. Doch auch ohne Zahlen bietet die Liste einige interessante Einblicke in den Alltag der Politiker und deren Vorlieben. Angelika Birk (Grüne) beispielsweise ist Schirmherrin des Frauen-Hilfevereins „Bella Donna“. Martin Kayenburg (CDU) ist unter anderem ehrenamtlicher Arbeitsrichter und sitzt im Vorstand des Arbeitgeberverbandes „Zement und Baustoffe“. Heide Simonis (SPD) gibt neben dem Vorsitz im Verwaltungsrat der Landesbank und einem Posten im ZDF-Fernsehrat „zahllose Schirmherrschaften und Ehrenfunktionen“ an. Ihr Parteifreund Klaus-Dieter Müller braucht mehrere Seiten, um seine diversen Posten aufzulisten: Er ist Geschäftsführer zahlreicher Medienunternehmen, angefangen mit der „Spice Digital Effects + Animation Factory“ bis hin zur Medienproduktion „Starke Kinder“ in Lübeck, hat eine Unternehmensberatung und ist Vorsitzender im Aufsichtsrat der Klaus-Dieter-Müller-Stiftung – ob dem armen Mann da noch Zeit für Politik bleibt, ist fraglich.

Esther Geißlinger