FLUTHILFE: DIE REGIERUNG IST DABEI, DEN BOGEN ZU ÜBERSPANNEN
: Alternativlos-Kanzler in Aktion

Der Kanzler ist mal wieder in seinem Element. Wie im Vorjahr beim Streit um die Sozialreform, so hält Gerhard Schröder seine Politik auch bei der Fluthilfe für alternativlos und jede Nachfrage für „schäbig“. Und der grüne Koalitionspartner, der sich schon immer gern am wohligen Gefühl moralischer Überlegenheit erfreute, orchestriert die Schröder’sche Entrüstung: Claudia Roth, Parteichefin und Fachfrau für Gefühle, erklärte die halblaut vorgetragene Kritik einiger Oppositionspolitiker gestern für „herzlos“, „erbärmlich“ und „erschreckend“.

Moment mal: Niemand hat bislang gefordert, dass die Regierung den Flutopfern nicht helfen soll. Einsichtig ist auch, dass drei Wochen nach der Katastrophe noch kein ausgefeiltes Konzept vorliegt. Aber erste Überlegungen, woher das Geld kommen und auf welche Weise es ausgegeben werden soll, darf man von Rot-Grün durchaus verlangen. Daran ändert auch der Hinweis des Regierungssprechers nichts, bei der versprochenen halben Milliarde handele es sich mit 0,04 Prozent des Bundeshaushalts gewissermaßen nur um Peanuts. Würde das Geld etwa von den übrigen Ausgaben für Entwicklungshilfe abgezogen, die insgesamt nur 0,28 Prozent des Haushalts ausmachen, dann geht es keineswegs um eine Kleinigkeit.

Noch funktioniert der Mechanismus des politischen Krisenmanagements, noch spielt die Flut den Regierenden in die Hände. Das weiß auch die Opposition, weshalb die Kritik bislang nur von Politikern der zweiten Reihe kommt und Parteichefin Angela Merkel gestern beflissen die internationale Solidarität beschwor. Die Regierung muss aber aufpassen, dass sie den Bogen nicht überspannt. Bleibt sie die Antworten auf vernünftige Fragen weiterhin schuldig, könnte sich bald der Eindruck verfestigen, die angekündigten Hilfsgelder zielten vor allem auf innenpolitischen Wahlerfolg und außenpolitischen Machtgewinn. Bis zur nächsten Bundestagswahl sind es immerhin noch fast zwei Jahre. So lange wird es der Regierung nicht gelingen, alle Debatten über ihre angeblich alternativlose Politik zu unterbinden. RALPH BOLLMANN