DAS GESETZ GEGEN DISKRIMINIERUNG WIRD ÜBERSCHÄTZT, IST ABER NÖTIG
: Folgenreiche Symbolpolitik

Inzwischen gibt es kaum noch einen Politiker im Wahlkampf, der nicht vor dem geplanten Antidiskriminierungsgesetz warnt. Man könnte den Eindruck gewinnen, der Standort Deutschland sei schon wieder in größter Gefahr. Diese Angst ist völlig abwegig. Denn tatsächlich ist das Antidiskriminierungsgesetz sehr harmlos und dürfte weitgehend folgenlos bleiben. Ganz schlicht stellt sich nämlich das Problem, dass Diskriminierung meist nicht zu belegen ist. Wenn ein Arbeitgeber zahllose Bewerbungen erhält und sich am Ende für einen männlichen, gesunden Inländer entscheidet – wer will ihm da eine bewusste Benachteiligung nachweisen? Der Chef müsste schon so dumm sein, in seine Anzeige zu schreiben, dass er „keine Frauen, Behinderten und Ausländer“ wünscht. Ein außerordentlich unwahrscheinlicher Fall.

Das wissen auch die Grünen, die sich besonders leidenschaftlich für das geplante Antidiskriminierungsgesetz einsetzen. Immer wieder argumentieren sie, dass keine Prozessflut zu erwarten sei. Wenn aber ein Gesetz ohne faktische Folgen bleibt, dann ist es nur noch Symbolpolitik. Die Grünen engagieren sich für den schönen Schein.

Das klingt absurder, als es ist. Denn eine Gesellschaft verständigt sich über Symbole. Anders ist nicht zu erklären, warum der morgige Besuch des ukrainischen Präsidenten eine solche Bedeutung gewinnt. Es treffen sich zwei Politiker – und es wirkt, als würden sich zwei Völker begegnen.

Symbole verändern. Schein kann zum Sein werden. Kaum ein Behinderter wird sich mit dem geplanten Gesetz in eine Stelle einklagen können – aber das ausdrückliche Diskriminierungsverbot verleiht Selbstbewusstsein. Es ist eine normative Aussage über Verteilungsregeln bei Jobs, Chancen und auch Anerkennung. Das wird Folgen haben, wenn auch nicht in konkret nachweisbaren Fällen. Unterschwellig wissen das alle Beteiligten. Sonst ließe sich der rhetorische Aufstand bei Arbeitgebern und wirtschaftsnahen Politikern nicht erklären. So paradox es ist: Der Erfolg des Antidiskriminierungsgesetzes zeigt sich schon jetzt daran, wie maßlos es überschätzt wird. ULRIKE HERRMANN